Kinsey Millhone 11 - Frau in der Nacht
Taschenlampe wieder an und machte in der Hütte das Licht aus. Dann sperrte ich mein Auto auf und fuhr mit dem VW die holprige Gasse entlang und auf die Straße.
Ich parkte vor dem im Halbdunkel liegenden Haus der Burkes.
Als Leda auf mein Klopfen reagierte, stand ich mit dem abgenutzten Lederkästchen da, das vom Ende meines Schraubenziehers baumelte wie die Haut eines seltsamen Tiers. Heute war sie um die Körpermitte nackt. Wir hatten Mitte Februar, und sie trug ein Gewand, das einer Bauchtänzerin Ehre gemacht hätte: sarongartige Wickelhosen mit weiten Beinen aus einem dünnen, geblümten Stoff, die an das Unterteil eines Sommerpyjamas erinnerten. Das Oberteil bestand aus einem ähnlichen Material, nur anders bedruckt, ohne Ärmel und mit einem einzigen Knopf, der direkt zwischen ihren kaum vorhandenen Brüsten schwebte. Ich fragte: »Ist J. D. zu Hause?«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist noch nicht da.«
»Darf ich hereinkommen?« Ich nahm an, daß sie sich dumm stellen und ihre Reaktion irgendwo zwischen Leugnen und Hä? liegen würde.
Sie sah erst mich und dann das lederne Kästchen an und war offenbar unfähig, sich etwas anderes einfallen zu lassen, als »oh« zu sagen.
Sie wich von der Tür zurück, und ich betrat den dunklen Flur und folgte ihr in die nach hinten gelegene Küche. Ein Blick nach rechts brachte Jack zum Vorschein, das Kleinkind mit den klebrigen Fingern, wie er stumpfsinnig auf dem Sofa lag und ein Zeichentrickvideo anschaute. Der Säugling schlief, zur Seite hängend, in einem weich gepolsterten, tragbaren Autokindersitz, während ihm bunte Bilder übers Gesicht huschten.
Die Küche roch immer noch nach den angebratenen Zwiebeln und dem Rinderhack vom Abendessen am Montag, das schon Ewigkeiten zurückzuliegen schien. Einige der Geschirrteile, die sich in der Spüle türmten, waren offenbar auch noch dieselben, obwohl Teller von späteren Mahlzeiten darüber gestapelt worden waren. Sie gehörte vermutlich zu der Sorte, die wartete, bis alles benutzt war, bevor sie sich ans Abspülen machte. »Möchten Sie Kaffee?« fragte sie. Ich konnte eine frische Kanne in der Kaffeemaschine stehen sehen, deren Mechanismus gerade noch die letzten Tropfen ausspuckte.
»Ja, gerne«, sagte ich. Ich setzte mich auf die gepolsterte Bank und suchte den Küchentisch nach klebrigen Stellen ab. Ich fand ein paar saubere Quadratzentimeter und stellte vorsichtig meinen Ellbogen darauf ab.
Sie holte einen Becher heraus und füllte ihn. Dann schenkte sie sich selbst nach, bevor sie die Kanne wieder auf die Wärmeplatte stellte. Im Profil schien ihre Nase zu lang für ihr Gesicht zu sein, aber bei einer bestimmten Beleuchtung war die Wirkung trotzdem attraktiv. Sie hatte einen langen Hals und niedliche Ohren, und das kurzgeschnittene, dunkle Haar schmiegte sich in einzelnen Strähnen um ihr Gesicht. Ihre Augen waren von verschmierter schwarzer Schminke umrandet, und auf den Lippen hatte sie bräunlichen Lip gloss.
Ich stellte das Lederkästchen mitten auf den Tisch.
Sie setzte sich auf die Bank und zog die Füße unter sich. Dann fuhr sie sich mit leicht verlegenem Gesichtsausdruck durchs Haar. »Ich wollte es die ganze Zeit abmontieren, bin aber nie dazu gekommen. So was Bescheuertes.«
»Sie haben eine Abhöranlage installiert?«
»War nichts Großartiges. Bloß ein Mikro und ein Kassettenrecorder.«
»Warum?«
»Ich weiß nicht. Ich hab’ mir Sorgen gemacht«, sagte sie. Ihre dunklen Augen wirkten riesig und voller Unschuld.
»Ich höre.«
Die Farbe schoß ihr ins Gesicht. »Ich dachte, J. D. und Lorna hätten vielleicht etwas miteinander, aber ich habe mich getäuscht.« Vor uns auf dem Tisch stand eine Saugflasche mit Babymilch. Leda schraubte den Sauger ab und verwendete den Inhalt als Kaffeesahne. Sie bot mir auch davon an, aber ich verzichtete.
»Wie hat es funktioniert? Wurde es durch Stimmen aktiviert?«
»Ja. Ich weiß, es klingt rückblickend etwas dämlich, aber ich hatte gerade erfahren, daß ich mit dem Baby schwanger war und mußte den ganzen Tag kotzen. Jack war noch nicht einmal aus den Windeln heraus, und ich war gegenüber J. D. am Durchdrehen. Ich wußte ganz genau, daß ich gemein zu ihm war, aber ich konnte es nicht ändern. Ich sah gräßlich aus und fühlte mich noch schlimmer. Und dann war da Lorna, schlank und elegant. Ich bin ja nicht blöd. Ich bekam heraus, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente, und er auch. J. D. fing an, sich jeden zweiten Tag einen Vorwand
Weitere Kostenlose Bücher