Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
holte tief Luft. »Hören Sie, ich habe noch eine weitere Spur. Sobald ich wieder bei Ihnen oben bin, gehe ich ihr gerne nach, aber falls es sich um eine Angelegenheit handelt, für die der Sheriff zuständig ist, sind mir die Hände gebunden.«
Es folgte eine dieser Schweigepausen, die klingen, als enthielten sie ein Ausrufezeichen. »Wenn Sie den Auftrag nicht zu Ende führen wollen, warum sagen Sie es dann nicht einfach?«
»So ist es ja gar nicht.«
»Wann kommen Sie dann zurück?«
»Das weiß ich noch nicht. Nächste Woche. Vielleicht am Dienstag.«
»Nächste Woche}« sagte sie. »Und warum nicht heute? Wenn Sie jetzt ins Auto steigen, sind Sie in sechs Stunden da.«
»Weshalb die Eile? Die Sache läuft doch schon seit Wochen.«
»Tja, zum Beispiel schulden Sie mir noch Arbeit im Wert von fünfhundert Dollar. Für eine solche Summe sollten Sie doch wohl so schnell wie möglich hierherkommen wollen.«
»Selma, ich bin nicht bereit, mich jetzt darüber zu streiten. Ich tue, was ich kann.«
»Wunderbar! Wann kann ich mit Ihnen rechnen?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sie können mir doch sicher ungefähr sagen, wann Sie eintreffen. Ich habe noch andere Verpflichtungen. Morgen bin ich den ganzen Tag weg. Ich gehe um zehn Uhr zum Gottesdienst und bin dann zu Besuch bei meiner Cousine drunten in Big Pine. Ich kann nicht herumsitzen und darauf warten, dass Sie irgendwann einmal auftauchen. Außerdem muß ich Vorbereitungen treffen, wenn Sie kommen.«
»Ich rufe an, wenn ich komme, aber ich werde nicht in Nota Lake Cabins absteigen. Ich finde es dort gräßlich und will nie wieder in eine solche Lage kommen. Es ist zu abgelegen und gefährlich.«
»Gut«, sagte sie rasch. »Sie können hier bei mir wohnen.« »Ich möchte mich keinesfalls aufdrängen. Ich suche mir ein anderes Motel, dann hat keine von uns Umstände.«
»Das macht keine Umstände. Ich kann Gesellschaft vertragen. Brant findet, es ist höchste Zeit, dass er in seine Wohnung zurückgeht. Er packt schon seine Sachen zusammen. Das Gästezimmer ist stets bereit. Ich bestehe darauf. Ich warte mit dem Abendessen auf Sie, und bitte keine Widerrede.«
»Wir reden darüber, wenn ich da bin«, sagte ich und versuchte, meinen Ärger zu verbergen. Ich bildete mir in Windeseile eine neue Meinung über die Frau, bereit, mich in die Legionen ihrer Kritiker einzureihen. Das hier war eine Seite von ihr, die ich noch nicht kennengelernt hatte, und ich kochte vor Wut. Natürlich merkte ich gleichzeitig, dass ich bereits begonnen hatte, meinen geistigen Terminkalender durchzugehen und mich darauf einzustellen, so bald wie möglich aufzubrechen. Da ich quasi zugestimmt hatte, wurde mir jetzt klar, dass ich es nur noch hinter mich bringen wollte. Ich machte die Verabschiedung kurz, da ich das Gespräch mit ihr möglichst rasch beenden wollte. Sowie ich aufgelegt hatte, nahm ich den Hörer wieder ab und rief bei Colleen Seilers an. Während es an ihrem Ende ewig klingelte, spürte ich meine Ungeduld anwachsen. »Na komm, na komm! Sei daheim...«
»Hallo?«
»Colleen, Kinsey hier.« »Was kann ich für Sie tun?«
Sie hörte sich an, als sei sie nicht besonders begeistert darüber, von mir zu hören, aber ich hatte es satt, ständig um den heißen Brei herumzureden. »Ich habe gerade eine halbe Stunde mit Pinkie Ritters Tochter Dolores und ihrem Mann verbracht. Dabei habe ich erfahren, dass Pinkie noch eine Tochter in Nota Lake hat und er und Alfie aus diesem Grund überhaupt erst dorthin gefahren sind.«
»Und?«
»Diese Frau habe ich bereits kennengelernt. Sie heißt Margaret und arbeitet als Verwaltungsangestellte im Sheriffbüro. Ich muß noch einmal hinauffahren und sie befragen, aber das kann ich nicht, ohne zu wissen, womit ich es zu tun habe.«
»Warum rufen Sie da mich an? Ich kann Ihnen nicht helfen.«
»O doch, Sie können...«
»Kinsey, ich weiß überhaupt nichts über diese Sache, und offen gestanden ärgert es mich, dass Sie mich immer wieder damit bedrängen.«
»Tja, offen gestanden muß ich Ihren Ärger einfach riskieren. Was haben Sie denn, Colleen?«
»Sind Sie eigentlich je auf die Idee gekommen, dass mir das weh tut? Ich meine, Selma tut mir furchtbar leid, aber sie ist nicht die einzige, die einen Verlust erlitten hat. Ich war auch in ihn verliebt, und es paßt mir nicht, dass Sie mir ständig Salz in die Wunden reiben.«
»So, wirklich? Tja, interessant, dass Sie das sagen, denn wissen Sie, was ich glaube, was los ist?
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