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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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fünf Jahren im Wrack des Autos meiner Eltern eingeklemmt war. Ich kann mich noch gut an das Grauen und die Erleichterung erinnern, als ich von diesen massigen Männern mit ihren Pistolen und Schlagstöcken gerettet wurde. Trotzdem sind auch Gefahr und Schmerz mit diesem Bild verbunden. Mit meinen fünf Jahren konnte ich beides nicht voneinander trennen. In puncto Verwirrung und Verlust war meine Erfahrung untrennbar mit dem Anblick von Männern in Uniform verbunden. Als Kind hatte man mir beigebracht, dass Polizisten meine Freunde seien, Leute, an die man sich wandte, wenn man sich verlaufen hatte oder einem bange war. Zugleich wußte ich, dass Polizisten die Macht besaßen, einen ins Gefängnis zu stecken, was sie zu einem beängstigenden Anblick machte, wenn man manchmal so »böse« war wie ich. Rückblickend ist mir klar, dass ich zum Teil deshalb auf die Polizeischule gegangen bin, um mich mit ebenjenen Leuten zu verbünden, vor denen ich Angst hatte. Auf der Seite des Gesetzes zu stehen war zweifellos mein Versuch, mit dieser alten Furcht fertigzuwerden. Die meisten Polizisten, die ich seither kennengelernt hatte, waren anständige, gewissenhafte Menschen, was den Gedanken um so verstörender machte, dass womöglich einer von ihnen auf die andere Seite übergewechselt war. Ich wußte nicht, wann mir je etwas solche Angst eingejagt hatte wie die Vorstellung, gegen diesen Kerl anzutreten, aber was hatte ich schon für eine Wahl? Wenn ich aus diesem Auftrag ausstieg, was dann? Würde ich, wenn ich das nächste Mal Angst bekam, den Auftrag dann ebenfalls sausenlassen?
    Ich stieg die Wendeltreppe hinauf und begann pflichtbewußt, meine Reisetasche zu packen. Über dem Meer hing weißer Nebel, und hundert Meter von der Küste entfernt sah der Horizont aus wie Milch. Die Sonne hinter den Wolken erzeugte ein hartes, fast blendendes Licht. Die Farben wirkten vom Dunst verblaßt, was der Luft eine kühle Note verlieh. Ein kurzer Blick in den Wetterbericht hatte mir vor meiner Abreise heftige Niederschläge in jenem Teil Kaliforniens prophezeit, zu dem ich unterwegs war, und ich konnte den Übergang schon auf den ersten fünfunddreißig Kilometern spüren. Ich nahm den Highway 126 durch Santa Paula und Fillmore, bis ich auf den Highway 5 traf, wo ich scharf auf den Highway 14 abbog. Ich durchquerte Canon-Land: kärglich bewachsene braune Hügel mit vereinzelten Sträuchern, so faltig und haarig wie Elefanten. Überlandleitungen zogen sich über die Erdfalten, während der Highway sechs Spuren Beton über die Risse und Spalten spann. Überall waren Wohnsiedlungen entstanden, und die Hügelketten waren mit vereinzelt stehenden Häusern übersät, so dass die natürlichen Felsformationen merkwürdig fehl am Platz wirkten. Einiges wies darauf hin, dass immer noch gebaut wurde - Erdbewegungsmaschinen, Betonmischer und mit Maschendraht eingezäunte behelfsmäßige Werkzeughöfe, wo für die Dauer der Bauarbeiten die schweren Maschinen aufbewahrt wurden. Hin und wieder belebte ein mobiles Klohäuschen den breiten Streifen zwischen den Fahrspuren. Das Land hatte die Farbe von trockenem Lehm und verdorrtem Gras. Bäume waren nur spärlich vorhanden, und die wenigen, die es gab, stachen hier draußen nicht besonders hervor. Als ich an der Edwards-Air-Force-Basis vorüberfuhr, auf geradem Weg in Richtung Norden, war der Himmel grau. Die Wolken sammelten sich in absteigenden Schichten, die die nachlassende Sonne über ihnen verdeckten. Der beginnende Nieselregen sah eher aus wie feiner Dampf, der in der Luft steht. Neblig wirkende Ortschaften tauchten in der Ferne auf, flach und klein, in Rastern angelegt wie Außenposten auf dem Mond. Näher an der Straße standen hin und wieder Nebengebäude, die aus Gott weiß welchem Jahrzehnt stammten. Obwohl die Wüste unerbittlich ist, toleriert sie doch von Menschenhand gefertigte Bauwerke - windschief, mit zerbrochenen Fenstern und eingefallenen Dächern -, die noch lange bestehenbleiben, nachdem ihre Bewohner gestorben oder weggezogen sind. Ich blickte über die gesamte Fläche der regengepeitschten Ebene hinweg bis zur Kette der verschwommenen, gelbbraunen Berge. Die Telefonmasten, die sich vor mir bis zum Horizont erstreckten, hätten für eine Unterrichtsstunde über Perspektive dienen können. Hinter den kahlen, kantigen Hügeln ragten zerklüftete Granitfelsen auf, die immer dunkler wurden, je mehr der Regen zunahm. Langsam erklomm die Straße das Vorgebirge. Die Berge dahinter waren

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