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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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stocksauer und ist beleidigt davongefahren. Allerdings hat er vorher noch bei Clint eingebrochen. Er und Alfie haben gewartet, bis Clint weg war, und dann sein ganzes Bargeld gestohlen und seine Möbel demoliert.«
    »Das muß ja ein beträchtlicher Schaden gewesen sein. Hat Clint Anzeige erstattet?«
    Dolores wirkte verblüfft, die erste echte Reaktion, die ich an ihr sah. »Warum sollte er denn das tun?«
    »Ich habe gehört, dass ein Kriminalbeamter in Zivil versucht hat, kurz vor Toth' Tod einen Haftbefehl gegen ihn zu vollstrecken. Ich wüßte gern, ob der auf diesen Zwischenfall zurückging.«
    Dolores schüttelte den Kopf. »Garantiert nicht. So etwas würde Clint nie tun. Auch wenn er Paps nicht bei sich im Haus haben will, würde er ihn nie verpfeifen. Es ist seltsam, aber als meine Schwester Marne anrief - das liegt etwa ein Jahr zurück -, um mir zu sagen, dass seine Leiche gefunden wurde, habe ich derart heftig lachen müssen, dass ich mir in die Hose gemacht habe. Homer mußte den Arzt rufen, als er merkte, dass ich nicht mehr aufhören konnte. Der Arzt hat mir dann eine Beruhigungsspritze gegeben. Er hat gesagt, es sei Hysterie, aber in Wirklichkeit war es Erleichterung. Wir hatten fünf Jahre nichts mehr von Paps gehört, also habe ich wohl darauf gewartet, bis es endlich klar ist.«
    »Was glauben Sie, warum er von Clint aus nach Lake Tahoe gefahren ist?«
    »Meine Schwester wohnt dort. Oder vielmehr eine von ihnen. Nicht direkt in Lake Tahoe, aber in der Gegend.« »Tatsächlich? Ich habe mich ständig gefragt, was ihn veranlaßt hat, dorthin aufzubrechen.« »Ich glaube nicht, dass Mames Mann sich über seinen Besuch mehr gefreut hat als Homer.«
    »Wie lange war er bei ihr?«
    »Eine Woche oder so. Marne hat mir später erzählt, dass er mit Alfie weggefahren sei, um angeln zu gehen, und soweit ich weiß, hat seitdem kein Mensch mehr Paps gesehen.«
    »Glauben Sie, dass ich mit ihr sprechen könnte? Das hat die Polizei zwar bestimmt schon getan, aber es würde mir weiterhelfen.«
    »Na klar. Sie ist nicht schwer zu finden. Sie arbeitet dort oben als Angestellte im Sheriffbüro.« »Wo dort oben?«
     »Nota Lake. Sie heißt Margaret, aber die ganze Familie nennt sie Marne.«

19
      Als ich nach Hause kam, kniete Henry in seinem Garten im Blumenbeet. Ich schritt über die Wiese und blieb stehen, um ihm bei der Arbeit zuzusehen. Er nahm meine Anwesenheit wahr, schien sich aber in der Stille wohl zu fühlen. Er trug ein weißes T-Shirt und Farmerhosen mit gepolsterten Knien. Seine Füße waren nackt, lang und knochig, und ihre hohen Wölbungen hoben sich weiß vom ausgebleichten Gras ab. Die Luft war süß und mild. Obwohl die Mittagssonne direkt über uns stand, war die Temperatur gemäßigt. Neben der Garage konnte ich bereits büschelweise Krokusse und Hyazinthen sprießen sehen. Ich setzte mich auf einen hölzernen Liegestuhl, während er mit einer Pflanzkelle die Erde umgrub. Das Erdreich war weich und feucht, und die Würmer, die durch seine Bemühungen gestört wurden, zuckten vor dem Eindringling zurück. Henrys Rosenbüsche waren kahle Stecken voller Dornen, an denen vereinzelte Blattknospen darauf hindeuteten, dass der Frühling vor der Tür stand. Die Wiese, die sich den größten Teil des Winters ausgeruht hatte, erwachte wieder zu neuem Leben, erquickt von den jüngsten Regenfällen. Dort, wo die jungen Halme nach und nach durch die braune Erde brachen, konnte ich grünen Flaum ausmachen. »Meist wird ja der Herbst mit dem Tod assoziiert, aber für mein Gefühl steht ihm der Frühling näher«, sagte Henry.
    »Warum das?«
    »Das hat keinen tiefschürfenden philosophischen Hintergrund. Mir sind nur einfach viele Menschen, die ich geliebt habe, zu dieser Jahreszeit gestorben. Vielleicht sehnen sie sich danach, aus dem Fenster zu schauen und frisches Laub an den Bäumen zu sehen. Es ist eine Zeit der Hoffnung, und das könnte schon genug sein, wenn man weiß, dass man vor dem Abschied steht. Es ermöglicht einem, loszulassen, weil man weiß, dass die Welt sich genauso weiterdreht wie immer.«
    »Ich muß wieder nach Nota Lake«, sagte ich.
      »Wann?«
    »Irgendwann nächste Woche. Ich möchte lange genug hierbleiben, um meine Hand auszukurieren.«
    »Warum willst du überhaupt wieder hinfahren?«
    »Ich muß jemanden sprechen.« »Kannst du das nicht telefonisch erledigen?«
    »Am Telefon fällt den Leuten das Lügen zu leicht. Ich möchte Gesichter sehen«, sagte ich. Ich schwieg und

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