Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
wie Ihnen. Deshalb bin ich ja zurückgekommen - um Klarheit zu schaffen.«
»Und wenn Sie das nicht können?«
»Dann gehen mir leider die Ideen aus. Eine Möglichkeit gibt es noch. Pinkie Ritters Tochter Margaret...«
Selma runzelte die Stirn. »Stimmt. Ich hatte ihre Verwandtschaft ganz vergessen. Die Verbindung kommt mir seltsam vor, nachdem sie für Tom gearbeitet hat.«
»Nota Lake ist eine kleine Stadt. Irgendwo muß die Frau ja arbeiten, also warum nicht im Sheriffbüro? Alle anderen arbeiten ja anscheinend auch dort«, führte ich aus.
»Warum hat sie nicht den Mund aufgemacht, als Sie letztes Mal hier waren?«
»Bis gestern wußte ich noch nichts von Ritter.«
»Ich glaube, Sie sollten lieber mit Rafer sprechen.«
»Ich glaube, es ist das beste, ihn vorerst herauszuhalten.« Ich bemerkte den seltsamen Blick, der über ihr Gesicht huschte. »Was?«
Sie zögerte. »Er ist mir heute Nachmittag begegnet, und ich habe ihm gesagt, dass Sie heute abend wiederkämen.«
Ich begann vor Verzweiflung mit den Augen zu rollen und hätte am liebsten wenigstens einmal meinen Kopf auf die Tischplatte geschlagen, um dem Gefühl Ausdruck zu verleihen. »Hätten Sie doch nur den Mund gehalten! Es ist so schon schwierig genug. Hier weiß jeder über die Angelegenheiten des anderen Bescheid.«
Sie wischte meine Einwände beiseite wie eine lästige Pferdebremse, die durch die rauchgeschwängerte Luft fliegt. »Seien Sie doch nicht albern. Er war Toms bester Freund. Was wollen Sie jetzt machen?«
»Ich spreche heute abend mit Margaret und lasse mir erzählen, was sie weiß«, antwortete ich. »Danach bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als nach Santa Teresa zurückzufahren und mit dem dortigen Sheriffbüro zu reden.«
»Und was wollen Sie denen sagen? Sie haben doch nicht viel.«
»Ich habe gar nichts«, sagte ich. »Wenn sich nichts ergibt, bin ich mit meiner Weisheit am Ende.«
»Aha! Das war's dann wohl.« Selma drückte ihre Zigarette aus und stand auf, ohne noch ein Wort zu sagen. Sie begann, das Geschirr abzuräumen und bewegte sich zwischen Tisch und Spüle hin und her.
»Lassen Sie mich doch helfen«, sagte ich und wollte mich nützlich machen.
»Bemühen Sie sich nicht.« Ihr Tonfall war frostig, und ihre Art abweisend.
Ich fing an, Teller und Besteck zusammenzustellen, und ging zur Spüle, wo Selma bereits übriggebliebenen Wackelpudding in den Mülleimer schaufelte. Sie ließ Wasser über einen Teller laufen, klappte die Tür der Spülmaschine auf und stellte ihn unten hinein. Das Schweigen war unbehaglich, und das Klirren der Teller hatte etwas Ungehaltenes an sich.
»Haben Sie etwas auf dem Herzen?« fragte ich. »Hoffentlich war es keine Fehlentscheidung von mir, Sie zu engagieren.«
Ich sah sie scharf an. »Ich habe Ihnen nie eine Garantie gegeben. Kein verantwortungsvoller Privatdetektiv könnte so etwas von vornherein versprechen. Manchmal sind die Informationen einfach nicht vorhanden«, erwiderte ich.
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Wovon sprechen Sie dann?«
»Ich habe Sie nicht einmal nach Referenzen gefragt.«
»Dazu ist es jetzt ein bißchen spät. Wenn Sie mit einigen meiner früheren Arbeitgeber sprechen wollen, stelle ich Ihnen eine Liste zusammen.«
Sie schwieg erneut. Es fiel mir schwer, den Wandel in ihrem Verhalten nachzuvollziehen. Vielleicht glaubte sie, ich gäbe auf. »Ich sage nicht, dass ich aufhöre«, erklärte ich.
»Schon verstanden. Sie wollen sagen, dass die Sache eine Nummer zu groß für Sie ist.«
»Möchten Sie gegen die Polizei antreten? Da habe ich persönlich mehr Verstand.«
Sie knallte einen Teller so heftig hin, dass er in der Mitte in zwei gleiche Stücke zerbrach. »Mein Mann ist gestorben!«
»Das weiß ich. Es tut mir leid.«
»Nein, tut es nicht. Es kümmert niemanden einen Dreck, was ich durchgemacht habe.«
»Selma, Sie haben mich engagiert, damit ich das erledige, und ich erledige es auch. Ja, es ist eine Nummer zu groß für mich. Das war es übrigens auch für Tom. Sehen Sie nur, was ihm zugestoßen ist. Es hat ihm das Herz gebrochen.«
Sie stand an der Spüle und ließ das heiße Wasser laufen, während ihre Schultern zuckten. Tränen strömten ihr über die Wangen. Ich stand einen Moment lang da und fragte mich, was ich tun sollte. Sicher würde sie so lange weiterweinen, bis ich mich ernsthaft bewegt zeigte. Ich tätschelte sie schüchtern und gab leise Murmellaute von mir. Ich malte mir aus, dass Tom zu Lebzeiten oft das gleiche
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