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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Schneeflocken schmolzen sofort und hinterließen lediglich seichte Pfützen statt vereiste Stellen. Im Garten standen Laubbäume, die mit ihren winzigen grünen Knospen jäh überrascht worden waren. Der März mußte in dieser Gegend ein ständiges Auf und Ab von Launen der Natur sein. Ich klopfte an die Tür und hoffte, nicht in eine schlüpfrige Dessous-Party zu platzen. Vielleicht hatte sie mich deshalb zu sich gebeten, weil sie hoffte, ich würde mir eine Schublade voller Höschen kaufen und alle meine verwaschenen alten wegwerfen. Margaret öffnete die Tür in Blue jeans und einem dicken roten Pullover mit nordischem Muster über der Brustpartie: Schneeflocken und Rentiere. Sie trug klobige, wadenhohe Wildlederstiefel mit Fellfutter, die an einem Abend wie diesem ziemlich warm sein mußten. Mit ihrem schwarzen Haar und der ovalen Brille sah sie aus wie ein Teenager, der zum Babysitten engagiert worden ist. »Hallo, kommen Sie rein.«
    »Danke. Ich hoffe, ich störe nicht. Ich habe Autos in Ihrer Einfahrt stehen sehen.«
    »Hatchs Pokerabend. Die Männer sind im Fernsehzimmer«, erklärte sie und wies mit dem Daumen nach hinten. »Ich habe Küchendienst. Wir können uns hier unterhalten.«
    Wie in Seimas Haus roch es auch hier, als wäre den Winter über alles hermetisch abgeschlossen, und die Gummidichtungen an den Sturmfenstern sorgten dafür, dass sich Rauch und Küchengerüche drinnen stauten. Der Teppichboden war in dunklem Orange marmoriert und die Wände im Wohnzimmer milchkaffeefarben gestrichen. Das zweieinhalb Meter lange Sofa war schokoladenbraun, und zwei schwarze Schmetterlingssessel standen rechts und links des Couchtischs. »Sie haben uns doch gleich gefunden, oder?« fragte sie.
    »Ja, sicher«, antwortete ich. »Soll ich Sie Margaret oder Marne nennen? Dolores spricht von Ihnen immer als Marne.« »Mir ist beides recht. Suchen Sie sich's aus.« Ich folgte ihr in die Küche am Ende des Flurs. Margaret war gerade mitten in den Essensvorbereitungen, und auf der langen Arbeitsfläche aus Resopal mit Holzdekor standen mehrere kalte Platten. Dazu kamen Schalen mit Kartoffelchips, zwei Schüsselchen mit einer Art Sauerrahmdip und eine in Butter und Knoblauchsalz geschwenkte Mischung aus Nüssen und Frühstücksflocken. Das weiß ich, weil sämtliche Zutaten noch offen dastanden. »Wenn Sie mir helfen, diese Snacks ins Eßzimmer zu bringen, sind sie aus dem Weg, und wir können uns unterhalten.« »Klar.«
    Sie nahm die beiden Schüsseln, stieß die Schwingtür mit der Hüfte auf und hielt sie mir, während ich mit dem Käse- und Wurst-Tablett hindurchging. Natürlich war das alles dermaßen ungesund, dass ich auf der Stelle Hunger bekam, doch mein Appetit hielt nicht lang an. Durch einen Bogengang zu meiner Linken sah ich Hatch und seine fünf Kumpane im Fernsehzimmer auf metallenen Klappstühlen am Pokertisch sitzen. Auf dem Tisch befanden sich zahllose Bierflaschen und -krüge, Zigaretten, Aschenbecher, Pokerchips, Dollarscheine, Münzen und Schüsseln voller Erdnüsse. Die ganze Mannschaft glotzte wie auf Kommando zu mir her. Ich erkannte Wayne, James Tennyson und Brant; die anderen beiden hatte ich noch nie gesehen. Hatch machte eine Bemerkung, und James lachte. Brant hob grüßend die Hand. Margaret beachtete das Grüppchen kaum, doch die Kälte im Raum war deutlich zu spüren.
    Ich stellte Schüsseln auf den Tisch und ging zurück in die Küche, wobei ich versuchte, so zu tun, als kümmerte mich ihre Anwesenheit gar nicht. Hier ist die Wahrheit über mein Leben: Fast jede unangenehme Situation, auf die ich im Erwachsenenleben treffe, ist mir zum ersten Mal in der Grundschule begegnet. Kerle, die Witze über einen reißen, fand ich schon bedrohlich, seit ich gezwungen war, jeden Morgen auf dem Weg zum Kindergarten an den Jungs aus der Sechsten vorbeizugehen. Schon damals wußte ich, dass aus solchen Zusammenrottungen nichts Gutes entstehen kann, und ich gehe ihnen so weit wie möglich aus dem Weg.
    Ich nahm eine Platte von der Arbeitsfläche und fing Margaret ab, als sie an der Schwingtür ankam. »Am besten reiche ich Ihnen die Platten, und Sie können sie dann auf den Tisch stellen«, sagte ich mit vorgetäuschter Hilfsbereitschaft. In Wirklichkeit war es mir unerträglich, mich diesem kollektiven Starren auszusetzen.
    Sie nahm mir kommentarlos die Platte ab und hielt mit der Hüfte die Tür auf. »Vielleicht könnten Sie noch ein paar Biere aufmachen. Es liegen welche im untersten Fach im

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