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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ohne ihre Hilfe.«
    »Sie hat erwähnt, dass Brant als Sanitäter arbeitet. Das ist doch ein verantwortungsvoller Beruf.«
    »Ja, das stimmt wohl«, räumte sie widerwillig ein. »Wurde auch Zeit, dass er Fuß faßt. Das können Sie Tom zugute halten.«
    »Wissen Sie zufällig, wohin Tom an jenem Abend wollte? Soweit ich weiß, wurde er ein Stück außerhalb des Orts gefunden.«
    »Eineinhalb Kilometer nördlich von hier.«
    »Er ist nicht kurz bei Ihnen vorbeigekommen?«
    »Ich wünschte, er hätte es getan«, sagte sie. »Ich war zu Besuch bei einer Freundin drunten in Independence und bin erst kurz nach Viertel nach zehn oder so wieder hier gewesen. Ich habe den Krankenwagen vorbeifahren sehen, hatte aber keine Ahnung, dass er für Tom bestimmt war.«

5
    Am Dienstagmorgen um neun suchte ich das Büro des Leichenbeschauers von Nota County auf. Ich hatte in der Nacht zuvor nicht gut geschlafen. Die Hütte war schlecht isoliert und die Nachtluft frostig. Ich hatte den Thermostat auf 21 Grad aufgedreht, doch er tat nichts, als sich nutzlos ein- und wieder auszuschalten. Mit Jogginghose, Rollkragenpullover und einem Paar dicken Socken war ich ins Bett gekrochen. Die Matratze war so schwammig wie ein Trog Lehm. Ich rollte mich unter einer Daunendecke, einer Steppdecke und einer Wolldecke zusammen, beschwert von meiner massigen Lederjacke. Gerade als mir warm wurde, kündigte meine Blase an, dass sie ihre maximale Füllmenge erreicht hatte und meiner sofortigen Aufmerksamkeit bedurfte, da sonst ein nasses Bett die Folge wäre. Ich versuchte, diese Unannehmlichkeit zu ignorieren, merkte jedoch, dass ich kein Auge zutun würde, wenn ich der Botschaft keine Beachtung schenkte. Bis ich wieder unter die Decken schlüpfte, war sämtliche Wärme daraus verschwunden, und ich sah mich gezwungen, erneut die Kälte zu ertragen, bis ich einschlief.
    Als ich um sieben Uhr aufwachte, fühlte sich meine Nase an wie ein Eis am Stiel, und mein Atem zeichnete sich in Wölkchen gegen das matte Morgenlicht ab. Ich duschte unter lauwarmem Wasser, trocknete mich fröstelnd ab und zog mich hastig an. Dann trabte ich die Straße zum Rainbow Café hinunter, wo ich mir ein weiteres Frühstück gönnte, bei dem ich Orangensaft, Kaffee, Würstchen und mit Butter und Sirup getränkte Pfannkuchen vertilgte. Ich sagte mir, dass ich den vielen Zucker und das Fett brauchte, um meine erschöpften Reserven wieder aufzufüllen, doch in Wirklichkeit tat ich mir leid, und das Essen war die einfachste Form von Trost.
    Das Büro des Leichenbeschauers lag in einer Seitenstraße mitten im Ort. Der Leichenbeschauer ist in Nota County ein auf vier Jahre gewählter Beamter, der in diesem Fall zugleich als Bestatter für die einzige Leichenhalle des Bezirks fungierte. Nota County ist klein: Gerade einmal fünftausend Quadratkilometer umfassend, liegt es wie ein Nachsatz zwischen Inyo und Mono County. Der Leichenbeschauer William Kirchner III, allgemein Trey genannt, hatte die Position bereits seit zehn Jahren inne. Da keine formelle gerichtsmedizinische Ausbildung verlangt war, wurden alle Autopsien von einem Gerichtspathologen vorgenommen, der beim County unter Vertrag stand. Wenn im Landkreis ein Mord geschieht, übernimmt der amtliche Leichenbeschauer von Nota County die Spurensicherung zusammen mit dem Ermittler vom Sheriffbüro und einem Ermittler der Staatsanwaltschaft von Nota County. Die gerichtsmedizinische Autopsie wird dann in der »Großstadt« von einem Pathologen vorgenommen, der jeden Monat mehrere Autopsien in Mordfällen durchführt und mehrmals im Jahr vor Gericht geladen wird, um dort auszusagen. Da es in Nota County nur etwa alle zwei Jahre einen Mord gibt, ist es dem Leichenbeschauer lieber, wenn bei Autopsien und gerichtlichen Aussagen eine unabhängige Stelle ihr Fachwissen beisteuert. Das Bestattungsunternehmen Kirchner & Sons schien früher einmal ein privates Wohnhaus gewesen zu sein, das vermutlich in den zwanziger Jahren gebaut worden war, während der Ort darum herum wuchs. Es war im Tudor-Stil gehalten und hatte eine Fassade aus blaßroten Backsteinen mit dunkelgestrichenen hölzernen Zierleisten. Dünnes, kaltes Sonnenlicht brach sich in den bleiverglasten Fenstern. Das Gras auf den umliegenden Wiesen war so matt und spröde wie braunes Plastik, nur die Stechpalmen verliehen der Landschaft noch etwas Farbe. Ich konnte mir vorstellen, wie das Haus früher einmal auf einem stattlichen Stück Land gestanden hatte, doch nun war das

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