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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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manuelle Entgegnung lieber für mich hätte behalten sollen. In Los Angeles sind schon aus nichtigerem Anlaß Schießereien auf dem Freeway ausgebrochen. Zum ersten Mal begann ich zu fürchten, dass er womöglich unten im Fußraum eine echte Waffe liegen hatte. Ich trat mehrmals aufs Gaspedal und drehte erneut den Zündschlüssel um, wobei ich ein tiefes, drängendes Geräusch ausstieß. Wundersamerweise sprang der Motor hustend an. Ich legte den Leerlauf ein, trat fest aufs Gas und schaltete die Scheinwerfer ein, während ich den Motor hochjagte. Die Nadel des Spannungsanzeigers sprang wiederholt nach rechts. Ich sah wieder zu dem Lieferwagen hinüber, der gerade am anderen Ende aus dem Parkplatz fuhr. Dann löste ich die Handbremse und legte den Rückwärtsgang ein. Ich fuhr aus der Parklücke heraus, schaltete in den Vorwärtsgang und bog auf die Fahrspur ein, die in die entgegengesetzte Richtung führte. Dabei spähte ich in die Finsternis, um zu beobachten, wohin der Lieferwagen verschwunden war. Ich konnte mein Herz klopfen hören, als hätte die Angst das arme Organ hinauf zwischen meine Ohren gejagt. Ich kam an der markierten Ausfahrt an und fuhr langsam weiter, während ich die umliegenden Straßen danach absuchte, ob der Lieferwagen um den Block fuhr. So weit ich sehen konnte, war die Straße leer. Ich klopfte mir selbst auf die Brust, eine Geste, die mich trösten und beruhigen sollte. Eigentlich war ja nichts passiert. Vielleicht hatte sich der Fahrer getäuscht, mich für eine Bekannte gehalten und dann erst seinen Irrtum bemerkt. Jemand in einem vorbeifahrenden Lieferwagen hatte sich zur Seite gedreht, mich angesehen und mit einem ausgestreckten Zeigefinger und einer Daumenbewegung symbolisch auf mich geschossen. Ich nahm nicht an, dass der Vorfall weltweit Schlagzeilen machen würde. Erst als ich schon halb durch die Stadt gefahren war, sah ich, wie der Lieferwagen einen halben Häuserblock weiter hinten auf die Straße einbog. Mir fiel auf, dass einer seiner Scheinwerfer leicht schief stand und der Lichtstrahl nach unten ging, wie bei jemandem, der auf einem Auge schielt. Ich blickte in sämtliche Richtungen, sah aber weder andere Fahrzeuge noch Fußgänger. Zu dieser späten Stunde war Nota Lake verlassen und die Geschäfte über Nacht geschlossen. Nur vereinzelt brannte eine kalte Innenbeleuchtung. Sogar die Tankstelle war geschlossen und in Finsternis gehüllt. Die Straßenlampen verströmten ein eisiges Licht über die leeren Gehwege. Ampeln wechselten lautlos von Grün auf Rot und wieder auf Grün. War das nun das Problem oder nicht? Ich überlegte, was ich tun konnte. Die Benzinuhr zeigte an, dass der Tank halb voll war. Ich hatte mehr als genug Sprit, um zum Motel zurückzufahren, doch mir behagte der Gedanke nicht, dass jemand hinter mir her war, und ich wollte meinem Verfolger im Notfall nicht davonlaufen müssen. Der Highway 395, der zu Nota Lake Cabins hinaufführte, war ein langer und ununterbrochener dunkler Streckenabschnitt. Die wenigen Geschäfte an der Landstraße hatten mit Sicherheit schon geschlossen, was bedeutete, dass meine Verwundbarkeit um so mehr zunähme, je einsamer die Umgebung würde. Ich sah in den Rückspiegel. Der Lieferwagen hielt immer noch einen halben Häuserblock Abstand und hatte sich meiner Geschwindigkeit angepaßt, gemäßigten 3 5 Stundenkilometern. Ich erschauerte unwillkürlich wie durch ein innerliches Frösteln und drehte die Heizung auf. Ich sehnte mich verzweifelt danach, es wieder warm zu haben und einen anderen Menschen zu sehen. Führten denn die Leute nicht ihre Hunde Gassi? Mußte kein Elternteil schnell einen Liter Milch oder Hustensaft für ein Kind mit Pseudokrupp besorgen? Oder wie war's mit einem Jogger, den ich durch Zuwinken herbeiholen konnte? Ich wollte dem Fahrer des Lieferwagens zeigen, dass ich Hilfe hatte. An der nächsten Straße bog ich links ab und fuhr drei Blocks weit, den Blick stets in den Rückspiegel gerichtet. Binnen Sekunden kam der Lieferwagen hinter mir um die Ecke gefahren und setzte seine Verfolgung fort. Ich fuhr sechs Blocks Richtung Westen und bog dann wieder nach links ab. Diese Straße verlief parallel zur Hauptstraße, wo in keinem einzigen Haus Licht brannte. Normalerweise habe ich eine Pistole in der Aktentasche, die in meinem VW hinter dem Rücksitz liegt. Doch das hier war ein Leihwagen, und als ich Santa Teresa verlassen hatte, war ich mit Dietz zusammengewesen. Wozu sollte ich eine Waffe brauchen? Die einzige

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