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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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nämlich. Alles, was man erfährt, ist ein gefundenes Fressen.«
    »Anscheinend wird über mich auch geredet.«
    »Allerdings.«
    »Was ist denn so der Tenor? Tut irgend jemand aufgeregt?« »Ach, Gemecker
    hier und da. Sie erregen eben Aufmerksamkeit, aber soweit ich gehört habe, ist es nichts Ernstes. In einem Ort dieser Größe haben alle über alles eine Meinung - vor allem über frisches Blut wie Sie. Ein paar Typen haben sich gefragt, ob Sie verheiratet sind. Denen ist wohl aufgefallen, dass Sie keinen Ehering tragen.«
    »Offen gestanden habe ich meinen Ring abgenommen, um den Brillanten neu fassen zu lassen.« »Schwachsinn.«
    »Nein, ehrlich. Mein Mann ist ein Riese. Schluckt ständig Anabolika, daher ist er wahnsinnig reizbar. Er würde jedem den Kopf abreißen, der mich nur anrührt.«
    Sie lachte. »Ich wette, Sie sind in Ihrem ganzen Leben noch keinen einzigen Tag verheiratet gewesen.«
    »Alice, Sie würden sich wundern.«
    Wie vorhergesagt, wurde das Wetter schlecht, als die Front heranrückte. Der Morgen war klar gewesen, mit Temperaturen um die zehn Grad, doch bis zum frühen Nachmittag hatte sich im Norden ein wuchtiges Wolkengebirge aufgetürmt. Der Himmel ging von Blau zu einem gleichförmigen Weiß über, dann zu einem nebligen Dunkelgrau, das den Tag so düster wirken ließ wie bei einer Sonnenfinsternis. Sämtliche Berggipfel waren verschwunden, und in der Luft hing ein dünner, schneidender Sprühregen.
    Meinen Nachmittag verbrachte ich folgendermaßen: Ich fuhr in die Stadt und ging in den Copy-Shop, wo ich Kopien meines getippten Berichts und mehrere kopierte Ausschnittsvergrößerungen der Porträtaufnahme von Tom Newquist im Format 13 mal 18 anfertigte. Ich warf das Originalfoto und das Original meines Berichts in Seimas Briefkasten, fuhr sechs Blocks weiter und stellte die Taschenlampe hinter die Sturmtür auf James Tennysons Veranda. Trotzdem mußte ich noch mehrere Stunden totschlagen, bevor ich mich mit Anstand zurückziehen konnte.
    Mit der Zeit wurde mir langweilig, außerdem wollte ich mich aufwärmen. Nota Lake hatte kein Kino; Nota Lake hatte meines Wissens keine Stadtbibliothek und keine Kegelbahn. Ich ging in die einzige Buchhandlung und spazierte an den Regalen entlang. Der
    Laden war klein, aber ansprechend, und die Auswahl mehr als zufriedenstellend. Ich erstand zwei Taschenbücher, kehrte in meine Hütte zurück, kroch unter einen Stapel Decken und las nach Herzenslust. Um sechs schlüpfte ich in meine Jacke und ging durch eine merkwürdige Mischung aus wehendem Graupel und stürmischen Regen zum Rainbow Cafe hinüber. Ich aß ein Weizentoast-Sandwich mit Speck, Salat und Tomate und plauderte beiläufig mit Nancy, während sie meine Rechnung eintippte. Ich wußte bereits, was sie zu sagen hatte, befragte sie aber trotzdem, um sicherzugehen, dass Alice alles wahrheitsgetreu wiedergegeben hatte. Um fünf nach halb sieben kehrte ich in die Hütte zurück, las das erste Buch aus, legte es beiseite und griff nach dem zweiten. Erschöpft von meinem harten Tagwerk erhob ich mich um zehn, putzte mir die Zähne, wusch mein Gesicht und stieg wieder ins Bett, wo ich auf der Stelle einschlief.
    Ein Geräusch durchdrang meinen klebrig-zähen Traum. Ich kämpfte mich langsam schwimmend aufwärts, mein Körper mit dunklen Bildern und den ganzen bleiernen Szenarien des Schlafs befrachtet. Ich fühlte mich wie ans Bett geklebt. Ich schlug die Augen auf und lauschte, ohne genau zu wissen, wo ich war. Nota Lake stahl sich in mein Bewußtsein zurück, und die Hütte war so kalt, dass ich genausogut im Freien hätte schlafen können. Was hatte ich gehört? Mit großer Mühe drehte ich den Kopf. Dem Wecker zufolge war es 04.14 Uhr, also noch stockfinster. Das kaum vernehmbare Kratzen von Metall auf Metall... aber nicht das Geräusch eines Schlüssels ... eventuell ein Dietrich, der ins Türschloß geschoben wird. Die Angst durchzuckte mich wie eine Feuerwerksrakete und entzündete meinen Körper mit einem Adrenalinschub. Ich schlug die Decken beiseite. Ich war immer noch komplett angezogen, doch die Kälte in der Hütte betäubte sowohl mein Gesicht als auch meine Hände. Ich schwang die Beine über die Bettkante, tastete nach meinen Schuhen und steckte die Füße hinein, ohne mir die Mühe zu machen, sie zuzubinden. Ich blieb stehen, wo ich war, mittlerweile auf die Stille eingestellt. Selbst in der tiefsten Provinz, wo es kaum Lichtverschmutzung gab, herrscht keine vollkommene Dunkelheit. Ich

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