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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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heran und preßte mein Ohr ans Türschloß, stets bemüht, nicht an den Stuhl zu stoßen. Ich hörte, wie der Dietrich wieder ins Schloß geschoben wurde. Dann vernahm ich, wie sich der winzige Drehmomentschlüssel zu seinem Gegenstück gesellte und die zwei Metallstifte über die Zuhaltungen krochen. Hinter mir konnte ich das Bügeleisen aus dem Badezimmer ticken hören, während es sich erhitzte. Ich hatte den Regler auf »Leinen« gestellt, einen Stoff, der bekanntlich leichter Falten wirft als Menschenfleisch. Ich sehnte mich danach, das Gewicht des Eisens in der Hand zu fühlen, wagte aber noch nicht, den Stecker aus der Dose zu ziehen. Ich verspürte einen Schmerz in der Brust, dort, wo der gummiartige Herzmuskel gegen die hölzernen Pfähle meines Brustkorbs hämmerte. Ich hatte selbst schon einige Schlösser geknackt und wußte genau, welcher Geduld es dazu bedurfte. Mir war noch niemand begegnet, der mit Handschuhen einen Dietrich hätte bedienen können, also durfte ich vermuten, dass er mit bloßen Händen ans Werk ging. Es kam mir so vor, als hörte ich aus den Tiefen des Schlosses den Dietrich über die Zuhaltungen gleiten und sie eine nach der anderen aufheben. Ich legte die rechte Hand sachte auf den Türknopf. Ich spürte, wie er sich unter meinen Fingern drehte. Der Stuhl blieb an Ort und Stelle, während ich einen schnellen Spitzentanz durch den Raum und ins Badezimmer vollführte. Ich fühlte die Hitze, die das Bügeleisen ausstrahlte, als ich den Stecker aus der Wand zog. Ich schlang die Finger um seinen Griff und kehrte an die Tür zurück, wo ich meinen Wachposten wieder bezog. Mein nächtlicher Besucher war jetzt gerade dabei, die Tür aufzudrücken, vermutlich auf der Hut vor knarrenden Geräuschen, die mich auf seine Anwesenheit aufmerksam machen könnten. Ich starrte auf den Türrahmen und wartete, dass er endlich erschiene. Er drückte. Der Stuhl begann sich vorzuschieben. Verstohlen wie eine Spinne kamen seine Finger um den Türrahmen gekrochen. Ich machte einen Satz nach vorn, das Eisen in der vorgestreckten Hand. Ich hatte mein Timing für gut gehalten, aber er war schneller als erwartet. Ich erwischte ihn zwar, allerdings erst, als er die Tür bereits aufgetreten hatte. Der Stuhl flog an mir vorbei. Ich roch den beißenden, chemischen Gestank verbrannter Wolle. Erneut drückte ich das Eisen gegen ihn. Diesmal spürte ich versengtes Fleisch. Er stieß einen wüsten Fluch aus - kein Wort, sondern ein Aufschrei. Gleichzeitig holte er aus und traf mich mit der Faust ins Gesicht. Aus der Balance geraten, stolperte ich rückwärts. Das Eisen flog mir aus der Hand und schlitterte lärmend über den Fußboden. Er war schnell. Bevor ich mir über die Situation im klaren war, hatte er mir die Füße weggetreten. Ich fiel um. Er drehte mir den Arm auf den Rücken und preßte mir sein Knie ins Kreuz. Sein Gewicht machte mir das Atmen schwer, und binnen Minuten wußte ich, dass ich bewußtlos werden würde, wenn er nicht lockerließ. Ich bekam nicht genügend Luft in die Lungen, um einen Ton von mir zu geben. Jede Bewegung war eine Qual. Ich roch den Schweiß der Anspannung, wußte aber nicht, ob es seiner oder meiner war.
    Sehen Sie? Das ist genau die Art von Augenblick, die ich gemeint habe. Da lag ich nun, mit dem Gesicht nach unten auf Cecilia Bodens schäbigem Flickenteppich, von einem Kerl, der mir mit massiver körperlicher Gewalt drohte, außer Gefecht gesetzt. Hätte ich diese bedauerliche Entwicklung an dem Tag vorausgesehen, als ich Carson City verließ, hätte ich etwas anderes gemacht: Ich hätte den Mietwagen abgegeben, wäre nach Hause geflogen und hätte keinen Gedanken mehr an einen Auftrag in Nota Lake verschwendet. Aber woher hätte ich das wissen sollen?
    Unterdessen befanden sich der Eindringling und ich an einem toten Punkt, während er sich überlegte, was für eine Strafe er mir zukommen lassen sollte. Der Kerl würde mir weh tun, daran bestand kein Zweifel. Er hatte keinen Widerstand erwartet und war jetzt stocksauer, obwohl ich mich nur so jämmerlich gewehrt hatte. Er war überdreht, von Wut ganz berauscht und atmete schwer und heiser. Ich versuchte, mich zu entspannen und mich zugleich auf das Unvermeidliche einzustellen. Ich wartete auf einen Schlag auf den Kopf. Ich betete darum, dass auf der Liste seiner bevorzugten Waffen kein Taschenmesser oder eine halbautomatische Pistole stand. Wenn er mir den Kopf nach hinten riß, konnte er mir mit einem schnellen Schnitt die

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