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Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht

Titel: Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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sind aber früh dran«, sagte sie zu Rafer.
    Wir schoben ihr beide unsere Becher hin, und sie schenkte ein. »Kennen Sie Kinsey?«
    »Ja, wir haben uns bereits durch Alice kennengelernt.« »Hallo«, sagte ich.
    »Ich würde Ihnen ja die Hand geben, wenn ich könnte.«
    »Ja, ich habe schon davon gehört. Cecilia hat kurz reingeschaut, als wir gerade aufmachten. Sie sagt, sie hätten ganz schön was abgekriegt. Ihr Kinn wird langsam blau.«
    Ich legte eine Hand an die Stelle. »Das vergesse ich immer wieder. Es muß sagenhaft aussehen.«
    »Verleiht Ihnen Charakter«, sagte sie. Sie warf Rafer einen Blick zu. »Was möchten Sie zum Frühstück?«
    Er sah noch einmal auf die Speisekarte. »Tja, schauen wir mal. Ich möchte meinen Cholesterinspiegel möglichst hoch halten, also glaube ich, ich nehme Blaubeerpfannkuchen, Würstchen, zwei Rühreier und Kaffee.«
    »Zweimal, bitte«, sagte ich.
    »Möchten Sie Orangensaft?«
    »Na klar. Eh schon egal.«
    »Bin gleich wieder da.«
    Ich sah Rafers Blick zum Fenster wandern. »Entschuldigen Sie mich. Da ist Alex. Ich bringe ihn schnell zur Hütte und lasse ihn schon anfangen.«
    Ich mußte meinen Kaffeebecher mit beiden Händen halten, da die drei Finger meiner Rechten zusammengeklebt und so plump wie ein Topfhandschuh waren. Der Arzt hatte gesagt, ich könne das Pflaster nach ein oder zwei Tagen entfernen, wenn ich dabei kein Unbehagen verspürte. Er hatte mir vier Schmerztabletten gegeben, ordentlich in einem kleinen weißen Umschlag versiegelt. Ich konnte mich an ähnliche Umschläge von den Kirchgängen meiner Kindheit erinnern, wenn meine Spende von fünf oder zehn Cent in den Sammelteller gelegt wurde. Der Teller selbst war aus Holz und wurde von einer Hand zur nächsten gereicht, bis er bei einem Kirchendiener am Ende der Bank anlangte.
    Aus Gründen, die ich verdrängt habe, wurde ich aus unzähligen Sonntagsschulstunden hinausgeworfen, aber meine Tante Gin, die sich an meiner Statt beleidigt fühlte, fand, dass ich das Recht besaß, richtige Gottesdienste zu besuchen. Vermutlich wollte sie mir die spirituelle Erbauung nicht vorenthalten. Was ich in erster Linie lernte, war, wie schwierig es ist, Orgelpfeifen allein durch Hinsehen genau zu zählen. Ich sah aus dem Fenster und beobachtete Rafer, wie er den Parkplatz überquerte und in Gesellschaft eines jungen Mannes mit einem schwarzen Koffer, der so ähnlich aussah wie eine Arzttasche, auf die Hütte zuging. Ich erstellte eine körperliche Bestandsaufnahme, als ich die schmerzenden Rippen auf der rechten Seite spürte. Mein Kinn war vermutlich nicht geschwollen, hatte aber einen nicht zu übersehenden Bluterguß. Keine fehlenden oder lockeren Zähne. Auf meinem Po saß ein Knoten von der Größe eines Silberdollars, und ich wußte aus Erfahrung, dass er wochenlang tierisch jucken würde.
    »Miss Millhone, kann ich Sie sprechen?«
    Ich sah auf. James Tennyson stand in seiner hellbraunen Highway-Patrol-Uniform am Tisch, versehen mit sämtlichen Accessoires: Schlagstock, Taschenlampe, Schlüssel, Halfter, Pistole und Munition. »Sicher. Setzen Sie sich.«
    Er legte eine Hand auf das Halfter und sicherte seine Pistole, während er in die Nische schlüpfte. Ich hatte den Eindruck, dass er sich unwohl fühlte, kannte ihn aber nicht gut genug, um mir sicher zu sein. »Ich habe Rafer vom Tisch weggehen sehen und dachte mir, Sie hätten vielleicht ein paar Minuten Zeit.« »Es paßt schon. Schön, Sie zu sehen. Haben Sie Ihre Taschenlampe wiederbekommen?«
    »Ja, Ma'am. Danke fürs Zurückbringen. Jo hat sie hinter der Sturmtür gefunden, als sie hinausgegangen ist, um die Zeitung zu holen.« Er zeigte auf meine Hand. »Ich habe gerade gehört, dass so ein Kerl Sie letzte Nacht überfallen hat. Ist alles in Ordnung?« »Mehr oder weniger.« »Er hat es ernst gemeint.« »Ich werd's überleben.«
    »Warum ich herübergekommen bin... Es ist mir erst gestern eingefallen. An dem Abend, als Tom starb, da bin ich die 395 entlanggefahren, als ich seinen Pickup sah - Sie wissen schon, mit eingeschalteten Warnblinkern. Zuerst wußte ich gar nicht, dass er es war, weil er noch ein Stück weit weg stand, aber ich wollte anhalten und nachsehen, ob ich irgend etwas tun könnte. Auf jeden Fall ging eine Frau die Straße entlang in Richtung Stadt.« »Eine Frau?«
    »Ja, Ma'am. Da bin ich mir fast sicher.« »Und sie war in Ihre Richtung unterwegs?«
    »Allerdings, aber dann ist sie sofort abgebogen. Das war kurz bevor ich vorbeikam, daher

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