Kinsey Millhone 14 - Kopf in der Schlinge - N wie Niedertracht
bescheiden mit den Achseln. »Na ja, der Gewinn ist nicht besonders, aber ich verdiene ja hier genug. Es ist erholsam, einmal Lauch zu zerkleinern anstelle... anderer Dinge.«
»Zumindest können Sie mit dem Tranchiermesser umgehen.« Er lachte. »Glauben Sie mir, niemand zerlegt Fleisch so sorgfäl- tig wie ich. Sie müssen abends mal kommen. Ich lade Sie zu einem Essen ein, das Sie vor lauter Begeisterung zum Weinen bringt.« »Das täte mir gut«, sagte ich. »Sie kennen ja mich und meine Big Mäcs.«
»Also, was gibt's? Ist es etwas Berufliches?«
»Ich brauche Informationen über einen Mann namens Alfie Toth. Sind Sie mit dem Fall vertraut?«
»Muß ich wohl. Ich habe die Autopsie vorgenommen.« Er wies mit dem Daumen in Richtung des Gebäudes. »Kommen Sie mit in mein Büro. Ich zeige Ihnen, was wir haben.«
»Wunderbar«, freute ich mich und folgte ihm. »Ich habe erfahren, dass Toths Tod eventuell etwas mit einem vermutlichen Mord in Nota Lake zu tun hat... ein Mann namens Ritter. Einer der Ermittler des Sheriffbüros hat an dem Fall gearbeitet, als er vor wenigen Wochen an einem Herzinfarkt starb. Er hieß Tom Newquist. Ist er an Sie herangetreten?«
»Ich kenne den Namen, aber er hat sich nicht direkt an mich gewandt. Ich habe mit dem Leichenbeschauer von Nota Lake telefoniert, und er hat ihn erwähnt. Was haben Sie mit dem Fall zu tun? Geht es um einen Versicherungsanspruch?«
»Ich arbeite nicht mehr für die Versicherung. Ich habe jetzt ein Büro in Lonnie Kingmans Anwaltskanzlei in der Capillo Street.«
»Was ist aus der Versicherung geworden?«
»Sie haben mir einen Tritt in den Hintern verpaßt, was mir aber ganz recht ist«, antwortete ich. »Es war Zeit für eine Veränderung, daher arbeite ich jetzt überwiegend freiberuflich. Newquists Witwe hat mich engagiert. Sie sagt, ihr Mann stand unter enormem Streß, und ich soll herausfinden, warum. Die Polizei in Nota Lake hat sich zu diesem Thema sehr bedeckt gehalten, und die hiesige ist nicht viel besser.«
»Kann ich mir vorstellen.«
Am Aufzug angekommen, drückte er den Knopf für »Abwärts«, und wir plauderten beiläufig über andere Dinge, während wir in die Tiefen des Gebäudes hinabsanken.
Dr. Yees Büro war eine kleine kahle Kammer auf dem gleichen Flur wie die Leichenhalle. Im Vorraum standen beigefarbene Aktenschränke, und das Büro selbst war kaum groß genug für seinen wuchtigen Rollschreibtisch, den Drehstuhl und einen einfachen Holzstuhl für Besucher. Seine Fachbücher waren in ein freistehendes Regal umgesiedelt worden, und die Schreibtischplatte war nun für eine Reihe französischer Kochbücher reserviert, die auf beiden Seiten von einem großen Glas trüben Formalins gestützt wurden, in dem etwas schwamm, das ich mir lieber nicht näher ansah. Ein Brustimplantat aus Gel diente als Briefbeschwerer und hielt einen Stapel loser Notizen fest. »Warten Sie einen Moment, dann hole ich die Akte«, sagte er. »Setzen Sie sich doch.«
Auf dem Stuhl stapelten sich medizinische Zeitschriften, und so hockte ich mich auf die Kante, dankbar, dass Dr. Yee mir sein Vertrauen schenkte. Dr. Yee ging nie leichtsinnig mit Daten um, aber so paranoid wie die Polizei war er auch nicht. Er kehrte mit einem Aktendeckel und einem großen Umschlag zurück, setzte sich auf den Drehstuhl und warf beides neben mir auf den Schreibtisch.
»Sind das die Fotos? Darf ich sie sehen?«
»Sicher, aber die werden Ihnen nicht viel sagen.« Er griff nach dem Umschlag und zog mehrere Farbfotos im Format 18 mal 24 heraus, die verschiedene Ansichten der Stelle zeigten, wo Alfie Toth gefunden worden war. Das Gelände war ziemlich wild: Felsen, Gestrüpp und eine uralte Eiche. »Toth wurde anhand der Überreste seines Skeletts und in erster Linie durch sein Zahnschema identifiziert. Percy Ritters Leiche in Nota Lake wurde unter ganz ähnlichen Umständen gefunden; der gleiche Tathergang und ein ähnlich abgelegener Ort. In beiden Fällen hat es eine Weile gedauert, bis jemand auf die Leiche gestoßen ist.«
Ich schwieg und starrte verblüfft auf eine Nahaufnahme, ohne genau zu wissen, was ich da vor mir sah; vermutlich die untere Hälfte von Alfie Toths Körper, verkrümmt auf der Erde. Die Beckenknochen schienen noch aneinanderzuhängen, aber Oberschenkelknochen, Schien- und Wadenbeine lagen in einem wirren Haufen da wie ausgebleichtes Brennholz. Die willkürliche Anordnung des Skeletts sah aus wie eine Halloween-Dekoration, die dringend sortiert
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