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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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packte. Sie vermied es absichtlich, mich anzusehen, als sie aus der Nische rutschte.

    Es war Viertel vor drei, als ich endlich ins Bett kroch. Aus alter Gewohnheit wachte ich um sechs Uhr wieder auf und hätte mich fast zum Joggen herausgequält, bis mir einfiel, dass Sonntag war. Ich lag einen Moment lang da und sah zum Oberlicht hinaus. Da offenbar die Sonne gerade aufging, wurde der Himmel heller, als würde an einem Dimmer gedreht. Dafür, dass ich so wenig getrunken hatte, fühlte ich mich seltsam verkatert. Es musste an der verrauchten Kneipe liegen, an dem Gespräch mit Duffy und der Begegnung zwischen Thea und mir, ganz zu schweigen vom nächtlichen Theoretisieren und der Herumfahrerei zu später Stunde. Ich stand auf und putzte mir die Zähne, nahm zwei Aspirin mit einem großen Glas Wasser und kehrte ins Bett zurück. In nicht einmal einer Minute war ich wieder eingeschlafen. Um zehn weckte mich meine Blase. Ich nahm eine Überprüfung meines Innenlebens vor und suchte nach Anzeichen von Kopfweh, Übelkeit und Erschöpfung. Offenbar fehlte mir nichts, und ich beschloss, dass ich mich dem Leben stellen konnte — wenn auch nur mit dem Versprechen, später ein Nickerchen zu machen.
    Ich widmete mich meinen gewohnten morgendlichen Verrichtungen: duschen, Jogging-Klamotten anziehen und Kaffee kochen. Ich las den größten Teil der Sonntagszeitung, wickelte mich in eine Steppdecke und legte mich mit meinem Buch auf die Couch. Um eins war es dann Zeit für mein Nickerchen, und ich schlief bis fünf. Anschließend stieg ich die Wendeltreppe hinauf und musterte mich im Badezimmerspiegel. Wie ich befürchtet hatte, waren meine Haare auf der einen Seite platt gedrückt und standen auf der anderen Seite büschelweise ab. Ich hielt den Kopf unters laufende Wasser und kam kurz darauf mit einer gediegeneren Frisur wieder zum Vorschein. Ich schlüpfte aus dem Jogging-Anzug und zog Jeans und Rollkragenpullover, Sportsocken, meine Sauconys und Mickeys Jacke an. Dann nahm ich meine Umhängetasche, schloss hinter mir die Tür ab und ging durch den Garten zu Henry hinüber, wo ich an die Hintertür klopfte. Er reagierte nicht sofort, aber ich sah, dass das Badezimmerfenster ein paar Zentimeter offen stand, und konnte Duschgeräusche hören. Nach Seife und Shampoo duftender Dampf wallte heraus. Ich klopfte ans Fenster — ein vertrautes Geräusch.
    Von drinnen rief Henry: »Yo!«
    »Hey, Henry. Ich bin’s. Ich gehe zum Abendessen zu Rosie’s. Hast du Lust mitzukommen?«
    »Bin sofort drüben. Sowie ich hier fertig bin.«
    Ich ging den halben Block zu Rosie’s und kam genau um halb sechs an, als sie gerade aufmachte. Wir tauschten Höflichkeiten aus, die sich in ihrem Fall aus vernichtenden Kommentaren über meine Figur, meine Frisur und meinen Familienstand zusammensetzten. Rosie ist quasi eine Art Mutterfigur, aber nur, wenn man für den Typ schwärmt, der in Grimms Märchen vorkommt. Es war ihre erklärte Absicht, mich zu mästen und mir einen ordentlichen Haarschnitt sowie einen Ehemann zu verpassen. Sie weiß ganz genau, dass ich auf diesem Gebiet noch nie erfolgreich war, aber sie sagt, dass ich eines Tages (soll heißen, wenn ich alt und vertrottelt, schwachsinnig und gebrechlich bin) jemanden brauche, der für mich sorgt. Ich schlug eine ambulante Pflegeschwester vor, doch das fand sie nicht witzig. Warum sollte sie auch? Es war ja mein Ernst.
    Ich setzte mich mit einem Glas saurem Weißwein in meine angestammte Nische. Es ist die Hölle, den Unterschied zwischen gutem und schlechtem Wein wahrzunehmen. Henry kam kurz darauf herein, und wir ließen uns von Rosie zu einem Sonntagabendmahl breitschlagen, das aus Savanyu Marhahus (scharf mariniertes Rindfleisch, für Uneingeweihte) und Kirantott Karfiol Tejfolos Martassal bestand, also frittierter Blumenkohl unter Bergen von Sauerrahm. Während wir unsere Teller mit Henrys hausgemachtem Brot auswischten, berichtete ich ihm von den Ereignissen der letzten Tage. Ich muss sagen, die Geschichte kam mir auch nicht klarer vor, nachdem ich sie ihm geschildert hatte.
    »Wenn Mickey und Mrs. Hightower eine Affäre haben, dann hatte ihr Mann genauso viel Grund, auf ihn zu schießen, wie Theas Freund«, erklärte er.
    »Mag sein«, erwiderte ich, »aber ich hatte den Eindruck, dass Eric seinen Frieden mit ihr geschlossen hat. Ich denke die ganze Zeit, dass noch etwas anderes dahinter steckt, etwas, woran ich überhaupt noch nicht gedacht habe.«
    »Kann ich dir irgendwie

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