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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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der Hosentasche und warf den Overall in die Wäsche. Ich hätte nie auf diese Weise in Teddys Haus einbrechen dürfen. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht? Ich war verrückt, vorübergehend unzurechnungsfähig, aber dieser Mann hatte mich wirklich zur Weißglut gebracht. Ich hatte nichts als eine kleine Information verlangt, und die besaß ich nun. Freilich hatte ich keine Ahnung, was ich damit anfangen sollte. Auf Kontakt zu meinem Ex konnte ich weiß Gott verzichten.
    Wir hatten uns im Streit getrennt, und ich hatte meine Erinnerungen an ihn gewissenhaft ausgelöscht. Gedanklich hatte ich jeglichen Verweis auf diese Beziehung getilgt, so dass ich es mir jetzt kaum gestattete, mir seinen Namen ins Gedächtnis zu rufen. Meine Freunde wussten, dass ich mit einundzwanzig geheiratet hatte, aber sie wussten nichts davon, wer er war, und hatten keine Ahnung von dem Anlass für die Trennung. Ich hatte den Mann in eine Kiste gesteckt und ihn auf den Grund meines emotionalen Ozeans absinken lassen, wo er seither dahinschmachtete. Während mein zweiter Mann Daniel mich betrogen und meinen Stolz massiv verletzt hatte, hatte er seltsamerweise mein Ehrgefühl nicht derart angegriffen wie Mickey Magruder. Auch wenn ich mitunter nachlässig gegenüber dem Strafgesetzbuch bin, gehe ich nicht leichtfertig mit Recht und Gesetz um. Mickey hatte die Grenze überschritten und versucht, mich mitzureißen. Ich war überstürzt ausgezogen und hatte in Kauf genommen, den größten Teil meiner Besitztümer aufzugeben, als ich zur Tür hinausmarschierte.
    Die Überdosis an chemischen Substanzen sickerte nach und nach aus meinem Kreislauf heraus und ließ Beklommenheit eindringen. Ich ging in die Kochnische und beruhigte mich mit der rituellen Zubereitung eines Sandwichs, indem ich Jif Extra Crunchy Peanut Butter auf zwei Scheiben herzhaften Siebenkornbrots strich. Ich ordnete sechs Scheiben Gewürzgurke wie große grüne Tupfen auf der dicken karamellfarbenen Schmiere an. Das fertige Sandwich halbierte ich diagonal und legte es auf eine Papierserviette, während ich das Messer ableckte. Ein Vorzug des Singledaseins besteht darin, dass man niemandem erklären muss, warum man in Stresssituationen seltsame Gelüste entwickelt. Ich riss eine Dose Cola light auf und aß an der Küchentheke, auf einem Hocker sitzend und über eine Ausgabe der TIME gebeugt, die ich von hinten bis zur Mitte las. Irgendwie interessiert mich nie etwas von dem, was vorne steht.
    Als ich fertig war, knüllte ich die Papierserviette zusammen und warf sie in den Müll. Dann ging ich an meinen Schreibtisch. Ich war bereit, die Schachtel mit Erinnerungen durchzugehen, obwohl mir halb davor graute, was ich darin finden würde. So vieles aus der Vergangenheit ist in irgendwelchem Krimskrams eingefangen. Die meisten Menschen werfen mehr Informationen über sich selbst weg, als sie bewusst aufbewahren. Unsere Erinnerung an die Vergangenheit wird nicht nur durch unsere fehlerhafte Wahrnehmung erinnerter Ereignisse verzerrt, sondern durch jene verdreht, die wir vergessen haben. Das Gedächtnis ist wie ein kreisendes Sternenpaar: Einer ist sichtbar, der andere dunkel, und die Flugbahn dessen, was man sehen kann, ist stets von der Schwerkraft dessen beeinträchtigt, was verborgen bleibt.
    Ich setzte mich auf meinen Drehstuhl und kippte mit ihm nach hinten. Dann legte ich die Füße auf den Tisch, die offene Schachtel neben mir auf dem Boden. Eine rasche visuelle Bestandsaufnahme sagte mir, dass Mickey sofort, nachdem ich gegangen war, alles zusammengepackt hatte, was ihm von mir unter die Finger kam. Ich sah ihn vor mir, wie er den Karton durch die Wohnung schleifte, meine Habseligkeiten aufsammelte und sie wild durcheinander hineinwarf. Ich sah ausgetrocknete Toilettenartikel, einen Gürtel, Werbesendungen und alte Zeitschriften, die mit einem Gummi zusammengebunden waren, fünf Taschenbücher und zwei Paar Schuhe. Alles, was ich sonst an Kleidungsstücken hinterlassen hatte, war lange verschwunden. Vermutlich hatte er sie allesamt in eine Mülltüte gestopft, bei der Heilsarmee angerufen und sich zufrieden darüber die Hände gerieben, dass nun viele heiß geliebte Gegenstände für ein oder zwei Dollar auf einem Verkaufstisch landen würden. Vor Erinnerungsstücken hatte er allerdings Halt gemacht. Manche davon befanden sich jedenfalls hier und waren der Säuberungsaktion entkommen.
    Ich fasste hinein und kramte in den Sachen herum, ließ meine Finger unter den unbekannten

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