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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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meinen Urenkel. Der Kleine ist gerade mal zwei und liest schon wie ein Weltmeister. Ist ganz begeistert von den kleinen Heftchen, die sein Opapa nur für ihn geschrieben hat. Bei dem hier gehts um einen Wurm namens Wiggles und seine Erlebnisse. Mir macht’s Spaß, und Sie sollten erst mal sehen, wie Dickie immer strahlt. Ich glaube, eines Tages veröffentliche ich sie und lasse sie richtig drucken. Ich habe eine Bekannte, die angeboten hat, die Illustrationen zu machen, aber jemand hat mir gesagt, das sei keine gute Idee. Ich schätze, diese New Yorker Typen engagieren gern ihre eigenen Grafiker.«
    »Wär’ mir neu«, sagte ich.
    Seine Wangen liefen ein bisschen an, und sein Tonfall wurde verlegen. »Sie kennen nicht vielleicht einen Agenten, der sich die Sachen mal anschauen könnte?«
    »Nein, aber wenn ich von einem höre, sage ich Ihnen Bescheid.«
    »Das wäre gut. Und was kann ich zunächst mal für Sie tun?«
    Ich zeigte ihm meinen Ausweis von der California Fidelity mit einem alten Foto von mir und der Bestätigung durch das Firmensiegel.
    Sein Blick wanderte von dem Foto zu meinem Gesicht. »Sie müssen sich ein neues Foto machen lassen. Das hier wird Ihnen nicht gerecht. Sie sehen wesentlich besser aus.«
    »Finden Sie wirklich? Danke. Übrigens, mein Name ist Kinsey Millhone. Und Sie sind...?«
    »George Wedding.«
    »Nett, Sie kennen zu lernen.«
    »Ich hoffe, Sie wollen keine Versicherungen verkaufen. Ich enttäusche Sie nur ungern, aber ich bin bis über beide Ohren versichert.«
    »Verkaufen will ich nichts, aber ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.« Ich zögerte. Ich hatte mir eine komplette Geschichte zurechtgelegt: Ich wollte ihm einen Schadensersatzantrag eines Hausbesitzers zeigen, der behauptete, bei einer Überschwemmung nach einem Wasserrohrbruch verschiedene Artikel eingebüßt zu haben. Natürlich war das von Grund auf erlogen, aber ich hoffte, er würde mit genügend moralischer Entrüstung reagieren, um alles offen zu legen. Was ich wollte, waren die Adresse und die Telefonnummer, die Mickey angegeben hatte, als er das Lagerfach mietete. Dann konnte ich diese Daten mit den Fakten vergleichen, die ich bereits hatte, und so (vielleicht) herausfinden, wo zum Teufel Mickey steckte. Auf dem Weg hierher hatte ich die Geschichte in Gedanken bis zu einem überzeugenden Stadium ausgearbeitet, aber jetzt, wo ich hier war, konnte ich mich nicht dazu überwinden, sie zu erzählen. Die Wahrheit beim Lügen ist nämlich Folgendes: Man hält damit einen armen, leichtgläubigen Trottel zum Narren, wodurch er wie ein Depp dasteht, weil er den Schwindel nicht erkannt hat. Lügen umfasst die gleichen bösartigen Elemente wie grobe Streiche, da das »Opfer« sich am Ende selbst dumm vorkommt und von allen anderen ausgelacht wird. Ich bin ja bereit zu lügen, wenn ich es mit eingebildeten Bürokraten zu tun habe, wenn mir jemand in die Quere kommt oder wenn alles andere zu nichts geführt hat, aber es fiel mir schwer, einen Mann anzulügen, der für seinen Urenkel Geschichten über die Abenteuer eines Wurmes schrieb. George wartete geduldig darauf, dass ich fortfuhr. Ich faltete den gefälschten Schadenersatzantrag zusammen, bis der untere Teil der Seite nur noch wenige Zentimeter vom oberen entfernt war und die einzigen Zeilen, die man sehen konnte, »John Russells« Name, Adresse und Telefonnummer waren. »Wollen Sie die Wahrheit wissen?«
    »Das wäre schön«, sagte er milde.
    »Ah. Also, in Wirklichkeit bin ich vor etwa drei Jahren von der CF gefeuert worden. Ich bin offen gestanden Privatdetektivin und auf der Suche nach einem Mann, mit dem ich mal verheiratet war.« Ich zeigte auf den Namen John Russell. »Das ist nicht sein richtiger Name, aber ich vermute, dass die Adresse in etwa stimmen müsste. Mein Ex vertauscht die Ziffern, um sich zu schützen.«
    »Geht es um polizeiliche Ermittlungen? Meine Unterlagen sind nämlich vertraulich, wenn Sie keine richterliche Anordnung haben. Falls Sie glauben, der Mann benutze diese Lagerräume für illegale Zwecke — wie zum Beispiel Drogenhandel — , könnten Sie mich eventuell überreden. Sonst läuft nichts.«
    Ich hätte fast schwören können, dass George mich zum Schwindeln aufforderte, nachdem er schon die Richtlinien dafür erläuterte, unter denen er sich überreden lassen würde. Aber da ich nun schon einmal mit der Wahrheit angefangen hatte, fand ich, ich könne ebenso gut dabei bleiben. »Sie machen es mir schwer. Ich wünschte, ich könnte Ihnen

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