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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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den Rücken, wie einer Katze in Anwesenheit von Außerirdischen.
    Ich sah, wie ein beschlagener Krug Bier in meine Richtung gereicht wurde, von einer Hand zur anderen wie bei einer Löschbrigade. Tim gab mir den Krug und legte mir gleichzeitig seine freie Hand auf die Mitte des Rückens. Er stand zu dicht bei mir, aber in diesem Gedränge hatte es kaum einen Zweck, sich zu beschweren. Ich sehnte mich danach, ihm auszuweichen, doch dazu war kein Platz. Stattdessen bedankte ich mich für das Bier.
    Erneut beugte er sich vor und näherte seinen Mund meinem Ohr an. »Was ist denn los mit Mick? Das ist jetzt das zweite Mal, dass Sie hier sind.«
    »Er hat mir seine Jacke geliehen. Ich wollte sie ihm zurückgeben.«
    »Läuft zwischen Ihnen und ihm was?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    Tim lachte, und sein Blick schweifte ab in Richtung Thea, die soeben Anstalten machte, die Nische zu verlassen. Scott Shackelford starrte auf den Tisch und drückte den Joint aus, der zwischen seinen Fingern kaum zu sehen war. Thea nahm ihr Tablett und begann sich in Richtung Bar durchzudrängen, während sie angestrengt Tims Blick auswich. Vielleicht war sie immer noch wegen seiner Äußerungen vom Vorabend wütend auf ihn. Ich wollte das Bier nicht, sah aber keinen Platz, wo ich es hätte abstellen können.
    »Bin gleich wieder da«, sagte ich.
    Tim berührte meinen Arm. »Wohin wollen Sie?«
    »Zum Pinkeln. Ist das gestattet?«
    Erneut lachte er, aber es war kein Ausdruck von Fröhlichkeit.
    Ich drängte mich durch die Menge und flehte innerlich darum, dass er während meiner Abwesenheit das Interesse verlöre. Ich stellte das Bierglas auf die erste freie Fläche, die ich fand, und ging weiter.
    Auf der Toilette herrschte eine vorübergehende Flaute, und so war ich dort ganz allein. Ich trat an das einzige Fenster und machte es einen Spalt weit auf. Ein Keil kalter Luft kam herein, und ich konnte sehen, wie der Rauch hinauswehte. Die Stille war belebend, und ich merkte, dass ich gegen den Wunsch ankämpfen musste, einfach hierzubleiben. Wäre das Fenster tiefer gelegen, wäre ich hinausgestiegen. Ich betrat eine Kabine und pinkelte, nur um irgendetwas zu tun.
    Ich stand am Waschbecken und seifte mir die Hände ein, als hinter mir die Tür aufging und Thea hereinkam. Sie trat an das Waschbecken neben mir und begann sich ohne Umschweife die Hände zu waschen. Ich hielt ihr Kommen nicht für einen Zufall, vor allem da sie den Waschraum für Angestellte gleich um die Ecke hätte benutzen können. Sie fing meinen Blick im Spiegel auf und warf mir ein bleiches Lächeln zu, als hätte sie erst in diesem Moment bemerkt, dass ich da stand. Sie sagte »hi«, und ich antwortete ebenso, da ich sie die Art des Austauschs bestimmen lassen wollte, nachdem sie ihn begonnen hatte.
    Ich zog ein Papierhandtuch heraus und trocknete mir die Hände ab. Sie tat es mir nach. Nach kurzem Schweigen begann sie erneut zu sprechen. »Ich habe gehört, Sie suchen Mickey.«
    Ich konzentrierte mich und hoffte, dass sie nicht erriet, wie neugierig ich war. »Ich würde ihn gern sprechen. Haben Sie ihn heute Abend schon gesehen?«
    »Ich habe ihn seit Wochen nicht mehr gesehen.«
    »Tatsächlich? Das ist aber seltsam. Jemand hat mir gesagt, dass er normalerweise jeden Freitag hier ist.«
    »M-m. In letzter Zeit nicht. Keine Ahnung, wo er steckt. Könnte verreist sein.«
    »Da hab’ ich meine Zweifel. Zu mir hat er nichts gesagt.«
    Sie nahm einen Lippenstift aus der Tasche, drehte die Farbe heraus und fuhr sich damit über die Lippen. In irgendeiner Hochglanzzeitschrift habe ich einmal einen Artikel gelesen — vermutlich im Wartezimmer beim Zahnarzt, in der Hoffnung, mich abzulenken — , in dem die Verfasserin die Art analysierte, wie Frauen einen Lippenstift aufbrauchen. Eine flaches Ende hieß das eine, ein schräges etwas anderes. Ich konnte mich nicht mehr an die Theorie entsinnen, aber mir fiel auf, dass ihrer flach war und der Lippenstift selbst kaum über den Metallrand ragte.
    Sie schraubte ihn wieder herunter und stülpte die Kappe darüber, während sie die Lippen aufeinander presste, um die Farbe gleichmäßig zu verteilen. Sie korrigierte einen kleinen Ausrutscher im Mundwinkel und musterte anschließend ihr Spiegelbild. Dann steckte sie sich das pechschwarze Haar hinter die Ohren. Beiläufig führte sie das Thema fort, ohne dass ich irgendetwas dazu beigetragen hätte. »Und weshalb interessiert es Sie, wo er steckt?« Sie benutzte ihre Zunge, um einen

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