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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Wechseljahre katapultiert worden zu sein. Ich legte eine Hand an meine brennende Wange und überlegte hektisch, woher er wusste, dass ich es gewesen war. Schließlich war ich nicht die Einzige, die sich illegalen Eindringens schuldig gemacht hatte. Auch Mickeys geheimnisvolle Freundin war irgendwann zwischen meinen beiden Besuchen in die Wohnung gegangen und mit ihrem Diaphragma, ihrer Halskette und ihrem Parfümzerstäuber wieder abgezogen. Dummerweise konnte ich — abgesehen davon, dass ich gar nicht wusste, wer sie war — sie nicht beschuldigen, ohne mich selbst ebenso zu belasten.
    Den Rest des Tages verbrachte ich damit, quasi mit eingezogenem Schwanz herumzuschleichen. Ich war nicht mehr so gründlich zur Schnecke gemacht worden, seit ich acht war und Tante Gin mich beim Rauchen einer Viceroy-Zigarette erwischt hatte. In diesem Fall war ich derart tief in Mickeys Angelegenheiten verwickelt, dass ich es mir nicht leisten konnte, mir den Zugang zu seinem Leben abschneiden zu lassen. Ich hatte gehofft, dadurch, dass ich mich bei Aldo in Bezug auf diesen Anruf reinwusch, an Informationen über den momentanen Stand seiner Ermittlungen zu kommen. Stattdessen lag auf der Hand, dass sein Vertrauen so massiv erschüttert war, dass er mir niemals etwas verraten würde.
    Ich nutzte die frühen Abendstunden, um mich über einen Teller von Rosies Rinderrouladen herzumachen. Sie versuchte allerdings, mir Vese Pörkölt aufzudrängen, was sich (aus dem Ungarischen übersetzt) als Herz- und Nierenragout entpuppte. Reumütig, wie ich mich fühlte, war ich zwar bereit, meine eigenen Innereien zu verspeisen, aber mein Magen rebellierte bei der Vorstellung von mit Kümmel geschmorten lebenswichtigen Schweineorganen. Die Stunden nach dem Essen verbrachte ich damit, zu Hause an meinem Schreibtisch zu sitzen und mit eifriger Schreibarbeit für meine Sünden zu büßen. Wenn alles andere fehlschlägt, ist Putzen und Ordnungmachen das ideale Gegenmittel für die meisten Gebrechen des Lebens.
    Ich wartete bis kurz vor Mitternacht, um erneut ins Honky-Tonk zu fahren. Ich trug dieselbe Kleidung wie in der Nacht zuvor, da sie bereits verqualmt roch und ohnehin gewaschen werden musste. Mickeys Lederjacke würde ich tagelang zum Lüften hinaushängen müssen. Wir hatten Freitagabend, und falls mich mein Gedächtnis nicht trog, musste die Kneipe randvoll mit zu wildem Leiern aufgelegten Wochenendgästen sein. Beim Vorbeifahren sah ich, dass der Parkplatz proppenvoll war. Ich drehte die Runde um die angrenzenden Häuserblocks und quetschte mich schließlich in eine Lücke, aus der gerade ein Lord-Cabrio herausmanövriert war. Ich ging die anderthalb Blocks durch diese dunkle Gegend von Colgate zurück. Es war ein Viertel, das früher ausschließlich aus Einfamilienhäusern bestanden hatte. Jetzt war ein ganzes Drittel von ihnen zu Kleinbetrieben umgewandelt worden: ein Polsterer, eine Autoreparaturwerkstatt und ein Friseursalon. Es gab keine Gehsteige, und so hielt ich mich auf der Straßenmitte und ging dann über den kleinen Angestelltenparkplatz zum Hintereingang.
    Ich marschierte um das Gebäude herum zum Vordereingang. Die Schlange von Leuten, die auf Einlass warteten, schien zu etwa gleichen Teilen aus Singles und Pärchen zu bestehen. Ich gab dem Türsteher meinen Führerschein und sah ihm dabei zu, wie er ihn durch sein Lesegerät schob. Ich zahlte die fünf Dollar Eintritt und erhielt einen Segen aus Tinte auf meinen rechten Handrücken.
    Als ich durch den vorderen Raum schritt, musste ich an den Kettenrauchern vorbei Spießruten laufen, die in Viererreihen vor der Bar standen — Typen mit unstetem Blick, die sich abmühten, wesentlich hipper zu wirken, als sie waren. Die Musik, die aus dem anderen Raum herüberdröhnte, war heute Abend live. Ich konnte die Band zwar nicht sehen, aber die Melodie (oder so etwas Ähnliches) hämmerte, und der Rhythmus wurde durch die Lautsprecher zu einem wummernden Stammestanz verzerrt. Der Songtext war unverständlich, bestand aber vermutlich aus pubertären Gefühlen, die in peinliche, gereimte Verse gefasst waren. Die Band klang wie eine Gruppe von Lokalmatadoren, die ausschließlich eigene Stücke spielte, falls man von dem ausgehen konnte, was gerade erklang. Ähnliche Auftritte habe ich bereits auf lokalen Kabelsendern zu hören bekommen, in Sendungen, die morgens um drei kommen und als spezielle Folter für Leute gedacht sind, die wie ich gelegentlich unter Schlaflosigkeit leiden.
    Schon

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