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Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung

Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung

Titel: Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafton,Sue
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nicht verfehlen.«

21
    Auf dem verblassten Werbeplakat am Straßenrand stand TULEY-BELLE LUXUS-EIGENTUMSWOHNUNGEN – SCHON HEUTE LEBEN WIE MORGEN. Es war ein ehrgeiziges Projekt gewesen, begleitet von einem Werberummel, der einen Kaufrausch auslösen sollte. Der über eine Ecke des Schildes geklebte Streifen trompetete: NUR NOCH ZWEI EINHEITEN UNVERKAUFT! Falls das zutraf, wurde garantiert noch heute prozessiert. Ich bremste, bog vom Highway ab und folgte der verfallenden vierspurigen Asphaltstraße, die von Pflanzkübeln aus Beton, welche ebenso leer waren wie die Landschaft ringsum, in zwei Hälften zerteilt wurde. Die Bauherren mussten eine noble Zufahrt geplant haben, mit üppigem Rasen und Palmen, die die Straße säumten, doch das Projekt war lange vor Umsetzung der Pläne aufgegeben worden. Es gab kaum Vegetation. Das flache Gelände ging in sanfte Hügel über, die weiter hinten mit den Palo Verde Mountains verschmolzen. Die Entfernungen waren trügerisch, und die klare, trockene Luft fungierte gewissermaßen als atmosphärisches Zoomobjektiv. Der Komplex, der nur ein paar hundert Meter weit weg zu sein schien, lag in Wirklichkeit fast zweieinhalb Kilometer entfernt.
    Als ich endlich in den ungeteerten Parkplatz einbog und den Motor abstellte, umhüllte die Stille das Auto wie ein unsichtbarer Schild. Im harten Nachmittagslicht wirkten die nur teilweise fertig gestellten Bauten so kahl wie Felsenwohnungen. Der Wind hatte Berge von Müll gegen die Mauern geweht. Das umliegende Gelände war flach und still. Dolan hatte mir erzählt, dass das Wasser in der Wüste trotz sintflutartiger Regenfälle rasch abfließt und kaum im Boden gespeichert wird. Selbst vom Auto aus konnte ich zahlreiche tiefe Rinnen im porösen Erdreich sehen, die von plötzlichen Regengüssen gegraben worden waren und nun in der Hitze zur Härte gegossenen Betons erstarrt waren.
    Ich stieg aus und schlug die Autotür zu. Das Geräusch klang erstickt, als wäre es sofort von der Luft aufgesogen worden. Die Bauten waren weitläufig. Manche Teile waren fertig gestellt, andere im Rohbau stehen gelassen worden. Weiter hinten hatte man noch eine Reihe von Fundamenten gegossen, doch die Betonsockel waren unberührt geblieben. Ich sah zahlreiche Reifenspuren und malte mir einen stetigen Strom von Teenagern aus, die durch die Finsternis schlichen und sich aus der rauen Nacht in die relative Wärme der isolierten Wände flüchteten. Hier draußen blies ständig der Wind – eine kraftvolle, pfeifende Präsenz, die mir die Haare ins Gesicht wehte. Hinter mir stob Sand über die Straße.
    Etwa sechzig Meter entfernt lag ein magerer grauer Hund auf dem Bauch und zerrte träge Fleisch aus dem Kadaver eines frisch getöteten Beutetiers. Ich brauchte einen Moment, bis ich begriff, dass ich einen Kojoten vor mir hatte. Er musterte mich interesselos, erhob sich jedoch und nahm seinen wertvollen Knochen mit, bevor er davon trottete. Seine Färbung glich den gedämpften Wüstentönen so sehr, dass er verschwand wie eine Erscheinung.
    Ich wandte mich dem nächst gelegenen Gebäude zu und ging hinein. Die Fenster fehlten, und die Türen waren aus den Angeln gehoben worden. Die Jugendlichen waren nicht weit vorgedrungen. Dort, wo man wohl eine Eingangshalle vorgesehen hatte, säumten jetzt Matratzen die Wände wie in einem Lazarett. Auf manchen lagen löchrige Decken, doch die meisten waren kahl. Pappkartons waren hereingetragen worden und dienten nun als Abstelltische für ein Sammelsurium aus Aschenbechern, Drogenzubehör und leeren Bierdosen. Ich machte einen Rundgang und musterte die pharmazeutischen Spezialitäten. Die Jugendlichen nahmen Gras, Haschisch und Kokain, doch die beliebteste Sucht war nach wie vor Nikotin, da die Zigarettenkippen die ausgedrückten Joints im Verhältnis vier zu eins übertrafen. Ein benutzter Pariser, über die Kappe eines einsamen, knöchelhohen Basketballschuhs drapiert, rundete das Bild ab. Ich versuchte mir die armen Teeny-Mädchen vorzustellen, deren erste Sexerlebnisse unter derart tristen Umständen stattfanden. Doch vielleicht waren sie ja zu betrunken oder zu bekifft, um darüber nachzudenken, was sie machten oder was mit ihnen gemacht wurde.
    Draußen ertönte Lärm, als erhöbe sich eine Schar Vögel in die Lüfte. Ich lauschte und versuchte, das Geräusch zu identifizieren. Es klang wie flatterndes Plastik, als hätte sich ein Staubschutz gelöst und würde vom Wind davongetragen. Das Rascheln klang befremdlich, als

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