Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
Kollegin von ihm bei Sears.«
»Woher wissen Sie das?«
»Die Gerüchteküche. Die Leute haben über nichts anderes geredet.«
»Kaum zu glauben, dass Justine und Medora es nicht gewusst haben.«
»Vermutlich wollte keiner der Überbringer der schlechten Nachricht sein. Erst kürzlich habe ich gehört – aber ich weiß jetzt nicht mehr, wer mir das erzählt hat –, dass Wilbur diese Frau geheiratet hat und unter einem fiktiven Namen mit ihr in Sacramento lebt. Sandy Wilburson oder so ähnlich.«
»Tatsächlich. Das ist ja interessant. Medora glaubt nämlich, er wäre tot.« »Im Grunde ist er das auch.«
»Eines noch, solange ich Sie am Apparat habe: Es ist wahrscheinlich weit hergeholt, aber ich wollte Sie fragen, ob Sie sich an einen Jungen namens Cedric Clifton erinnern. Er stammt ursprünglich aus Creosote, aber er ist seit seinem neunten Lebensjahr andauernd in Schwierigkeiten geraten und könnte gut auf der Lockaby gelandet sein.«
»Ja, ich kenne Cedric, aber es ist witzig, dass Sie fragen. Er war 1968 Schüler bei uns, ein Jahr vor dem Zeitraum, nach dem Sie gefragt haben.«
»Was ist daran witzig?«
»Na ja, Sie haben doch die Sanders erwähnt. Er ist mit ihrer Tochter gegangen. Aber er war älter als sie – schätzungsweise neunzehn und sie sechzehn.«
»Justine und Pudgie Clifton? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ist sie denn nicht mit Cornell McPhee gegangen?«
»Schon, aber zuvor mit Cedric. Die beiden haben sich getrennt, als sie angefangen hat, sich mit Cornell zu treffen und sich in den Kopf gesetzt hat, ihn ›an Land zu ziehen‹, wie man damals so gesagt hat. Sie waren alle beide auf der Quorum High bei meiner Tochter in der Klasse.«
»Mein Gott«, sagte ich. »Was ist hier eigentlich los? Jeder kennt jeden.«
Betty Puckett lachte. »Willkommen in der amerikanischen Kleinstadt. Was möchten Sie sonst noch über Cedric wissen?«
»Musste er je wegen Autodiebstahls ins Gefängnis?«
»Oh, sicher. Unter anderem.«
»Was zum Beispiel?«
»Diebstahl durch Irreführung, Fälschung, ungedeckte Schecks.«
»Aber keine Gewaltverbrechen?« »Nicht, solange er auf der Lockaby war. Was er danach gemacht hat, weiß ich nicht.«
»Danke. Sie haben mir sehr geholfen. Und entschuldigen Sie nochmals, dass Sie solche Mühe hatten, mich zu erreichen«, sagte ich.
Ich duschte, wusch mir die Haare und wünschte dabei, ich könnte meine Verwirrung auch so einfach mit dem Wasser wegwaschen, das in den Abfluss lief. All die kleinen Versatzstücke, die unsichtbaren Zusammenhänge. Es war, als suchte man in der Milchstraße nach einem Muster. Nachdem ich mich angezogen hatte, setzte ich mich an den Schreibtisch, holte einen Packen Karteikarten heraus und begann mir Notizen zu machen. Als ich alles notiert hatte, was mir wichtig erschien, sortierte ich die Karten grob in chronologischer Reihenfolge, stellte meine Schreibmaschine auf den Tisch und tippte einen Bericht. Stacey und Dolan waren beide ohne weiteres imstande, die gleiche Arbeit zu tun, und sie hätten sie auch getan, wenn es nötig gewesen wäre, aber ich wollte unbedingt sehen, wie sich die Fakten zusammenfügen würden. Ich erkannte, wie sich Verbindungen aufbauten und wieder lösten, auch wenn sie nicht besonders schlüssig waren: Pudgie hatte zusammen mit Frankie gearbeitet; Frankie war mit Iona verheiratet gewesen; Pudgie war mit Justine gegangen, bevor sie Cornell geheiratet hatte. Iona war im selben Ort aufgewachsen wie Pudgie und hatte in ihrer Jugend mit ihm zu tun gehabt. Cornells Schwester Adrianne war mit der Ermordeten befreundet gewesen, natürlich immer unter der Voraussetzung, dass Charisse und das Opfer ein und dieselbe Person waren. Dazu kamen Pudgies Fingerabdrücke auf dem gestohlenen Auto. Das war nun wirklich eine interessante Entwicklung. Ich saß da, starrte auf die Karteikarten und dachte über die beteiligten Personen nach.
Mir fiel auf, dass ich 1969 erst zwei Jahre älter gewesen war als diese Jugendlichen. Ich hatte mich durch die Highschool gemogelt, ohne auch nur einmal schulische Spitzenleistungen zu erbringen. Ich wurde nie in ein Amt gewählt, trieb keinen Sport und nahm nie an Veranstaltungen außerhalb des Unterrichts teil. Ich war weder Mitglied der Musikgruppe noch der Cheerleaders oder des Chors. Meistens drückte ich mich herum und fühlte mich niedergeschlagen und entrechtet. Ich bekam ausreichende bis mittelmäßige Noten, rauchte Dope und hing mit anderen miesen Typen herum, unbedeutend und
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