Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
warst? Soweit ich mich erinnere, hast du gemacht, was du wolltest, und auf die Ärzte gepfiffen.«
Stacey zog den Zündschlüssel ab und warf die Hände in die Höhe. »Das reicht. Wir gehen jetzt auf der Stelle noch mal rauf und reden mit dem Arzt.«
»Was hast du denn? Ich sage doch, dass ich mache, was sie von mir verlangen … weitgehend jedenfalls. Jetzt lass den Wagen an und fahr los. Ich soll mich doch nicht aufregen. Das steht hier drin«, sagte er und schüttelte seinen Umschlag.
»Stimmt nicht. Ich habe es selbst gelesen.«
»Du hast meine ärztlichen Unterlagen gelesen?«
»Sicher. Die Akte war in dem Schlitz an deiner Tür. Ich wusste doch, dass du anfängst rumzulügen.« Ich beugte mich vor und legte die Arme zwischen sie auf die Lehne. »Jungs, wenn ihr zu streiten anfangt, steige ich aus und gehe zu Fuß.«
Wir schwiegen alle drei, während sie darüber nachdachten.
Schließlich sagte Dolan. »Ach, Schwamm drüber. Davon schießt bloß mein Blutdruck in die Höhe.«
Beim Abendessen im Quorum Inn hob sich Dolans Stimmung, und die Spannung zwischen den beiden legte sich. Dolan bestellte betont brav gegrillten Fisch mit Zitrone, gedämpftes Gemüse, einen einfachen grünen Salat und ein Glas Rotwein, von dem er schwor, dass es erlaubt war. Nach unserem von Junkfood geprägten Tag aßen Stacey und ich beide Brathuhn, Salat und das gleiche gedämpfte Gemüse. Allesamt taten wir so, als würde uns das Essen besser schmecken, als es tatsächlich der Fall war. Als unser entkoffeinierter Kaffee kam, war uns eindeutig der Gesprächsstoff ausgegangen. Am Morgen würde Stacey Dolan mit dem Mietwagen zurück nach Santa Teresa bringen, womit mir Dolans Wagen bliebe. Der Fall war in eine jener unvermeidlichen Flauten geraten. Wir warteten auf Unterlagen, Testergebnisse und Vergleichsabdrücke – kurz gesagt auf einen Durchbruch, der womöglich nie kam. Wahrscheinlich hätte ich zur gleichen Zeit nach Hause fahren sollen wie die beiden. Wenn sich weiter nichts ergab, würde ich aber auf jeden Fall nach ein, zwei Tagen nachkommen.
»Und was tue ich in der Zwischenzeit?«, fragte ich. »Ich will nicht untätig hier rumsitzen.«
»Sehen Sie zu, dass Sie nicht in Schwierigkeiten geraten«, sagte Dolan.
»Wie soll ich das denn anstellen? Hier tut sich doch nichts.« Am Dienstagmorgen um acht verabschiedete ich mich von ihnen und winkte noch ein letztes Mal, als Stacey aus dem Parkplatz bog. Dann kehrte ich in mein Zimmer zurück. Ich empfand eine leichte Depression, vermischt mit Erleichterung darüber, wieder allein zu sein. Normalerweise reagierte ich ähnlich, wenn ich mit Robert Dietz zusammen gewesen war und er sich wieder auf den Weg gemacht hatte. Es ist schwer, derjenige zu sein, der zurückbleibt. Wäre ich zu Hause gewesen, hätte ich zu putzen angefangen, aber in der Beengtheit des Motels konnte ich nicht mal das tun. Ich sammelte mein kleines Wäschebündel zusammen, wühlte in den Tiefen meiner Tasche nach Kleingeld und marschierte zu dem Waschsalon einen halben Block weiter. Es gibt nichts Langweiligeres als in einem Waschsalon zu sitzen und darauf zu warten, dass sich Waschmaschine und Trockner von Anfang bis Ende durch ihre Programme klicken. Wagte man es, seine Klamotten allein zu lassen und später wiederzukommen, wenn die Ladung durchgelaufen war, hatte sie garantiert jemand gestohlen oder aus der Maschine gezerrt und in einem Haufen auf den Boden geworfen. Also saß ich nun da und überwachte meine Unterwäsche. Das war zwar anregender als eine Archivrecherche, aber nicht viel.
24
Ich war kaum zehn Minuten aus dem Waschsalon zurück, als es an meiner Tür klopfte. Ich lugte durch den Spion und sah Felicia Clifton draußen stehen und über den Parkplatz ins Leere starren. Ich machte die Tür auf. Das Gesicht, das sie mir zuwandte, war bleich, konturlos und ungeschminkt. Ohne den schwarzen Kajal und die falschen Wimpern wirkten ihre Augen im Grunde hübscher, wenn auch nicht annähernd so groß oder lebhaft. Sie trug Jeans, ein Sweatshirt und Laufschuhe ohne Socken, als hätte sie sich überstürzt angezogen. Die roten Haare hatte sie zu einem wirren Pferdeschwanz zurückgebunden.
»Das ist aber eine nette Überraschung. Kommen Sie rein.«
Sie trat ein und streckte dabei eine Hand aus, um sich zu stützen. Zuerst dachte ich, sie sei betrunken, doch schnell begriff ich, dass sie erschüttert und aufgelöst war. »Felicia, was ist denn los? Ist etwas mit Pudgie?«
Sie nickte stumm. Ich
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