Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
unsere Richtung. Kennen Sie die Gegend?«
»Ich weiß, welchen Straßenabschnitt Sie meinen.«
»In den Hügeln in der Nähe ihres Grundstücks gibt es Kojoten, deshalb lässt sie ihren Hund drinnen, wenn sie nicht selbst im Garten sein und auf ihn aufpassen kann. Gestern haben die Müllmänner das Tor offen gelassen, und der Hund ist entwischt. Er war die ganze Nacht weg, und als er am Morgen wiederkam, hatte er einen Knochen dabei. Genauer gesagt einen Arm. Der Hilfssheriff hat sich an Felicias Anruf wegen Cedric erinnert. Die meisten von uns kennen ihn, aber wir möchten, dass jemand anders einen Blick darauf wirft.«
»Ich habe ihn nur einmal gesehen und weiß nicht, ob ich seinen Arm erkennen würde. Es sei denn, es ist der mit den ganzen Tätowierungen«, fügte ich hinzu. Vor meinem geistigen Auge erschien sein Arm, den ich lediglich das eine Mal gesehen hatte, als ich ihn im Gefängnis von Santa Teresa besucht hatte. Darauf war eine Tätowierung von einer vollbusigen Frau mit langen, offenen schwarzen Haaren gewesen. Dazu gesellten sich ein Spinnennetz, der Totenschädel mit dem Sombrero und ein pornographischer Sexakt, den er sich lieber auf den Hintern hätte tätowieren lassen sollen.
»Wir hatten einen Haftbefehl für ihn wegen eines Verkehrsdelikts – das war allerdings schon 1981. Neben einem Porträtfoto liegt uns auch eine Beschreibung seiner Tätowierungen vor, die zu passen scheint.«
»Können Sie an der Hand keine Fingerabdrücke nehmen?«
»Die meisten Finger sind angefressen worden, aber wir werden’s versuchen, sobald der Leichenbeschauer mit seinen Verrichtungen fertig ist.«
»Und wo ist der Rest von ihm?«
»Das ist es ja. Wir wissen es nicht.«
Blinzelnd starrte ich ihn an, verblüfft von der Idee, die mir soeben gekommen war. »Aber ich vielleicht.«
Intuition ist etwas Seltsames. Nach einem dieser Gedankenblitze aus dem Bauch kann man manchmal zurückverfolgen, woher er gekommen ist – wie sich diese Idee oder Beobachtung und noch ein zweiter Einfall irgendwie ganz tief hinten im Gehirn zu bilden begonnen und schließlich zu der Erkenntnis geführt haben, die dann schlagartig in den Vordergrund tritt. Bei anderen Gelegenheiten ist Intuition einfach nur das – eine plötzliche Einsicht, die uns ohne vorheriges Nachdenken überfällt. Was mir in den Sinn gekommen war, war das Geräusch von im Wind flatternder Plastikfolie und dazu ein Kojote, der geruhsam Fleisch von etwas abnagte, was ich seinerzeit für eine frische Beute gehalten hatte. »Ich glaube, er liegt im Tuley-Belle. Die Aasfresser ernähren sich schon seit Tagen von ihm.«
Felicia und ich saßen fast eine Stunde auf der windabgewandten Seite des verlassenen Komplexes im Auto. Mittlerweile war der Geruch verwesenden Fleisches unverkennbar, so deutlich wahrzunehmen wie die Ausdünstungen eines Stinktiers. Wir warteten, bis der amtliche Leichenbeschauer die Überreste untersucht hatte. Die Kojoten mussten den Blutgeruch binnen Stunden gewittert haben, und Pudgies Gesichtszüge waren offenbar in weiten Teilen zerfleischt worden. Es war dieser Aspekt seines Todes, der wohl selbst den abgebrühtesten der anwesenden Polizisten an die Nieren ging. Pudgie war dermaßen häufig mit dem Gesetz in Konflikt geraten, dass eine Art Band zu vielen der Hilfssheriffs entstanden war. Natürlich war er ein Gauner, aber er war nie böse oder abartig gewesen. Er war einfach einer von diesen Typen, denen strafbare Handlungen leichter fielen als rechtschaffenes Streben.
Schließlich kam Detective Lassiter zum Auto herüber und fragte Felicia, ob sie die Leiche sehen wolle. »Er ist in keinem guten Zustand, aber Sie haben ein Recht darauf, ihn zu sehen. Ich will nicht, dass Sie später irgendwie daran zweifeln.«
Sie warf mir einen Blick zu. »Gehen Sie. Ich schaue ihn mir nicht an, wenn es so schlimm ist.«
Es war schlimm.
Pudgies Leiche war mit einem Stück undurchsichtiger Plastikfolie abgedeckt worden, die man dann mit Steinen beschwert und in einer flachen Vertiefung genau hinter dem Gebäude hatte liegen lassen, das ich besichtigt hatte. Noch als ich mich mit Detective Lassiter der Stelle näherte, hörte ich, wie der Wind eine Ecke des Plastiks anhob und wie einen Stofffetzen hin und her flattern ließ.
»Wo ist denn die Plastikfolie hergekommen?«, fragte ich.
»Die war hinten an diesem Flügel über eine Türöffnung geklebt. Sie können die Reste noch hängen sehen, wo sie vom Türrahmen abgerissen worden ist.«
Ein
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