Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
ergehen lassen. Ich soll froh sein, dass ich hier bin, haben sie gesagt. Und froh sein, dass mein Kreuz wehtut wie die Sau, haben sie gemeint. Ohne Kreuzschmerzen keine Röntgenaufnahme. Ohne Röntgenaufnahme wäre aber das Was-auch-immer-ich-habe nicht vor der nächsten Nachuntersuchung entdeckt worden, und die steht erst in Monaten an.« Er zeigte auf Dolan. »Und spar dir dein ›Ich hab’s ja gleich gesagt‹ – das will ich nämlich nicht hören.«
»Das würde ich nie sagen – obwohl ich zugeben muss, dass ich es mal erwähnt habe.«
Ich fand, er trieb es zu weit, aber Stacey lachte.
»Und wann kommst du raus?«, wollte Dolan wissen.
»Das haben sie mir noch nicht verraten. Aber ich bin nicht bloß faul hier rumgelegen. Ich habe noch mal im Sheriffbüro angerufen. Joe Mandel ist inzwischen zum Detective befördert worden, also hoffe ich, dass er uns einen Blick auf die Sachen der Unbekannten werfen lässt.«
»Das können Kinsey und ich übernehmen.«
»Nicht ohne mich. Wenn du mich am Leben erhalten willst, tu lieber, was ich sage.«
»Schwachsinn. Das ist Erpressung.«
»Du hast’s erfasst. Und jetzt erzählt mir was über Rickman. Ich möchte gern mal wieder herzhaft lachen.«
An diesem Abend aß ich bei Rosie. Ich war so dankbar, sie wieder hier zu haben, dass ich den Saum ihres Sackkleids hätte küssen können. Da die Taverne zwei Wochen lang geschlossen gewesen war, war der Geruch nach Bier und Zigarettenrauch fast ganz verschwunden. In ihrer Abwesenheit hatte Rosie ein Putzkommando kommen und den ganzen Laden durchschrubben lassen. Jetzt glänzte der Fußboden, sämtliche Holzflächen waren poliert, und der Spiegel hinter der Bar gab das Abbild der aufgereihten Schnapsflaschen mit einem Glitzern wieder, das teures, handgeblasenes Glas vermuten ließ. Es herrschte nur wenig Betrieb, da die Stammgäste womöglich noch gar nicht wussten, dass das Lokal wieder geöffnet war.
William stand hinter dem Tresen, zapfte Bier und schenkte Drinks für die vereinzelten Gäste aus. Henry saß an seinem angestammten Tisch und vergnügte sich mit einem Heft voller Buchstabenrätsel. Auf seine Aufforderung hin nahm ich ihm gegenüber Platz. Ich sah auf, als Rosie aus der Küche kam, unter dem Arm etwas, das aussah wie ein Stapel dünner Ordner. Sie durchquerte den Raum und kam voller unverkennbarer Selbstzufriedenheit auf uns zu. Einen Ordner reichte sie mir, einen zweiten Henry. Ich dachte erst, es wären Fotoalben, doch als ich meinen aufschlug, sah ich eine in kalligrafischer Handschrift verfasste Speisekarte vor mir.
»Das ist ja mal was anderes«, sagte ich.
»Ist neue Speisekarte. Jetzt ich muss nicht mehr jede Gericht sagen, was ich koche. William hat von Hand geschrieben und ist in Copy-Shop gegangen und hat drucken lassen. Bestellt alles, was ihr wollt, und wenn ihr nicht auf Henglisch sagen könnt, ihr zeigt einfach.« Sie blieb stehen und sah uns erwartungsvoll an. Seit der Kreuzfahrt schien ihr Henglisch gelitten zu haben.
Henry überflog die Speisekarte. Ein seltsamer Ausdruck legte sich über sein Gesicht. Ich sah auf mein Exemplar und ließ den Blick über die Seite wandern. Die Gerichte waren zuerst auf Ungarisch aufgeführt und enthielten Buchstabenkombinationen und Akzentzeichen, die ich noch nie gesehen hatte. Unter dem ungarischen Namen für jedes Gericht stand die englische Übersetzung: Versenyi Batyus Ponty Karpfen im P äckchen
Csuka Tejfeles Tormaval Hecht in Meerrettichsahne gekocht
Hamis Oztokany Falsches Wild
Diszno Csülök Käposztäval Schweinshaxen auf Sauerkraut
Ich war sehr gespannt, was die Horden von SoftballRowdys davon halten würden.
»Da hast du dich ja selbst übertroffen, Rosie«, meinte Henry.
»Wirklich«, sagte ich. »Ich kann mich kaum entscheiden.«
Sie vibrierte fast vor Freude, den Bestellblock gezückt. Einen Moment lang glaubte ich, sie werde ihre Bleistiftspitze anlecken.
Henry lächelte sie verbindlich an. »Kannst du uns ein bisschen Zeit lassen? Wir müssen uns erst schlau machen.«
»Ihr behaltet und ich komme wieder.«
»Gute Idee.«
Sie verließ unseren Tisch und machte einen Rundgang durch den Raum, bei dem sie in jede Nische und auf jeden Tisch eine Speisekarte legte. Henry sah ihr mit fast ehrfürchtigem Staunen nach. »Das kommt dann dabei raus, wenn man jemanden auf eine Kreuzfahrt mitnimmt. Sie ist voller Ideen nach Hause gekommen. Wenn ich sie nicht besser kennen würde, würde ich sagen, sie kriegt Allüren.«
Ich legte die
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