Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
die Luft rein war, schnappte ich mir Tasche und Jacke und huschte zur Haustür hinaus. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr zu dem McDonald’s in der Milagra Street. Ich bin dort so oft am Autoschalter, dass die Bedienungen meine Stimme erkennen und mich mit Namen ansprechen. Ganz spontan bestellte ich ein bisschen mehr und fuhr zu Stacey. In meinen Augen gibt es keine Lebenslage, die nicht durch eine Dosis Junkfood verbessert werden könnte.
Als ich an seine Fliegentür klopfte, sah ich ihn im Wohnzimmer auf einer Kiste hocken. Seine Schreibtischschubladen standen offen, und er hatte einen Schredder an ein Verlängerungskabel angeschlossen, das sich durch den Raum zog. Er winkte mich herein.
Ich hielt die weiße Tüte in die Höhe. »Hoffentlich haben Sie noch nicht zu Abend gegessen. Ich habe Cola dabei, Pommes und Hamburger Royal. Sehr nahrhaft.«
»Ich habe keinen großen Appetit, aber ich leiste Ihnen gern Gesellschaft.«
»Ist mir recht.«
Ich ließ die Tüte auf dem Tisch stehen und ging in die Küche, wo ich eine Packung Pappteller und eine Rolle Papierhandtücher fand. Damit bewaffnet kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, stellte alles auf den Fußboden und hievte zwei Kisten aus dem Stapel an der Wand herüber. Ich setzte mich auf die eine und benutzte die zweite als Tisch, den ich zwischen uns deckte. Ich holte die Colabecher heraus, zwei große Portionen Pommes, Tütchen mit Ketchup und Salz und für jeden einen in Papier verpackten Hamburger Royal. Ich drückte Ketchup auf die Pommes, salzte alles in Sichtweite und verputzte meinen Hamburger dann mit etwa acht Bissen. »Ich trainiere für den Geländerekord in dieser Disziplin.«
Stacey hob die obere Hälfte seines Brötchens an und beäugte zweifelnd seinen Burger. »Ich hab noch nie so einen gegessen.«
Ich hörte auf, mir den Mund zu wischen. »Sie machen wohl Witze.«
»Nein.« Vorsichtig probierte er einen Bissen und kaute ihn misstrauisch, bis sich die verschiedenen Geschmacksrichtungen in seinem Mund vermischt hatten. Dann wiegte er den Kopf hin und her. Beim zweiten Bissen schien er Gefallen daran gefunden zu haben, und danach aß er mit derselben Eile weiter wie ich.
Ich fasste in die Tüte, nahm einen weiteren Hamburger heraus und reichte ihn ihm. Diesmal drang etwa nach der Hälfte ein schon fast unterbewusstes Stöhnen aus seinem Mund. Ich musste lachen.
»Wo haben Sie den her?«, fragte ich und zeigte mit einem Pommesstäbchen auf den Schredder.
»Vom Nachbarn«, antwortete er und verstummte, bis er seinen letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. »Ich räume gerade meinen Schreibtisch aus. Irgendwie bringe ich es nicht über mich, meine Rechnungen zu schreddern. Eigentlich will ich ja gar keine Steuererklärung abgeben. Wahrscheinlich bin ich tot, bis das Finanzamt meinen Fall bearbeitet hat. Aber trotzdem habe ich Angst vor einer Steuerprüfung, wenn ich die erforderlichen Unterlagen nicht zur Hand habe.« Er leckte seine Finger ab und wischte sich den Mund. »Danke. Das war super. Ich habe seit Wochen keinen Appetit mehr gehabt.«
»Freut mich, wenn ich helfen konnte.«
Er sammelte den Müll ein und stopfte ihn in die Tüte zurück. Dann wandte er sich um und warf das Ganze in den Papierkorb. Anschließend fasste er in die unterste Schublade und zog eine Pappschachtel voller Schwarz-Weiß-Fotografien heraus. Er stellte sich die Schachtel auf den Schoß, nahm eine Hand voll Fotos heraus und fütterte damit den Schredder.
Ich sah zu, wie sechs Bilder zu Fetzen zerschnitten wurden. »Was treiben Sie denn da?«
»Hab ich Ihnen doch gesagt. Ich räume meinen Schreibtisch aus.«
»Aber das sind Familienfotos. Das können Sie nicht machen.«
»Warum nicht? Außer mir ist keiner mehr übrig.«
»Aber Sie können sie doch nicht einfach zerstören. Nicht zu fassen, dass Sie das über sich bringen.«
»Warum soll ich die Arbeit jemand anders überlassen? Wenn ich es mache, besteht wenigstens eine persönliche Verbindung.« Er sang: »Leb wohl, Onkel Schmitty. Bye-bye, Vetter Mortimer …« Und schon verwandelten sich zwei weitere Bilder im Bauch des Schredders in Konfetti.
Ich legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ich nehme sie.«
»Und dann was? Sie kennen diese Leute doch überhaupt nicht. Ich kann ja selbst bestenfalls die Hälfte von ihnen identifizieren. Schauen Sie sich den an. Wer ist das? Ich schwöre, ich habe den Kerl noch nie in meinem Leben gesehen. Muss ein Freund der Familie gewesen sein.« Er hielt die Kante des Fotos
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