Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung

Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung

Titel: Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafton,Sue
Vom Netzwerk:
ihn halb zehn hieß. Damit blieb mir genügend Zeit, um meinen Fünf-Kilometer-Lauf zu absolvieren und eine Runde Krafttraining im Fitness-Studio anzuschließen. Ich wollte im Voraus Pluspunkte für Selbstdisziplin sammeln, für den Fall, dass ich unterwegs nicht zum Trainieren kam. Als Dolan vorfuhr, saß ich schon mit Umhängetasche, Schreibmaschine und Matchsack am Randstein und las in einem Taschenbuch. Zuletzt hatte ich noch zwei von Gummibändern zusammengehaltene Stapel Karteikarten eingesteckt. Dolan hatte sein Vehikel offenbar durch eine Waschanlage gefahren, weil es von außen sauber war, und die Fußmatten waren frei von Tankquittungen und weggeworfenen Fastfood-Verpackungen. Jetzt, wo wir Kollegen waren, hielt er es wohl nicht mehr für nötig, mich um den Wagen zu geleiten und mir die Tür aufzuhalten. Ich wuchtete sie auf, während er über den Sitz griff und seinen Koffer zur Seite schob. »Sie können Ihre Sachen hinten zu meinen stellen, es sei denn, Sie möchten sie lieber in den Kofferraum legen.« »So geht’s schon.« Ich platzierte meine Smith-Corona auf dem Fußboden, warf den Matchsack auf den Rücksitz und stieg ein. Ich versuchte die Tür zuzuzerren, doch die Scharniere reagierten kaum und wollten sich nicht bewegen. Schließlich fasste Dolan über mich hinweg und riss mit roher Gewalt an der Tür. Mit einem dumpfen Schlag fiel sie ins Schloss. Ich rang mit dem Sicherheitsgurt, der massiven Widerstand leistete, bis ich endlich ein Stück herausgezogen hatte, das lang genug war, um bis zur Schließe zu reichen und den Gurt einrasten zu lassen. Auf dem Armaturenbrett lag eine frische Schachtel Zigaretten. »Ich hoffe, Sie haben nicht vor zu rauchen.«
    »Nicht bei geschlossenen Fenstern.«
    »Was sind Sie doch rücksichtsvoll. Haben Sie eine Landkarte?«
    »Im Türfach. Ich würde sagen, wir fahren hintenrum. Eigentlich wollte ich den Highway 101 bis zum 405 nehmen und dann auf den Highway 5 abbiegen, aber mit meiner miesen Pumpe will ich den Freeway nicht riskieren, für den Fall, dass ich am Steuer tot zusammensacke.«
    »Sie schaffen es wirklich, dass ich mich bei der ganzen Aktion so richtig wohl fühle.«
    Dolan fuhr in südlicher Richtung auf den Highway 101, während ich die Landkarte von Kalifornien aufklappte und sie in handhabbarem Format wieder faltete. Meiner Schätzung nach lag Peaches hundertfünfundvierzig Kilometer weit weg, also etwa anderthalb Stunden. Zum Glück mochte Dolan Geplauder ebenso wenig wie ich. Ich saß da, schaute aus dem Fenster und überlegte, ob zwischen Henry und Mattie zarte Gefühle aufblühen würden.
    Die Küste sah rauchig aus. Über dem Ozean lag ein grelles Licht, doch die Brandung war verhalten und lief in langen, glatten Wellen auf den Strand zu. Die vierzig Kilometer vor der Küste gelegenen Inseln waren kaum auszumachen. Steile Hügel fielen zur Landstraße hin ab, bewachsen mit Büschen in dunklem Moosgrün, die nach einem nassen Herbst und den langen, feuchten Wintermonaten wieder auflebten.
    An vielen Stellen der Anhöhe war die Vegetation mit dichten Ansiedlungen von Kakteen überzogen, die aussahen wie Tischtennisschläger und vor Dornen strotzten. Ich war schon immer der Meinung, dass kalifornische Gefängnisse Fluchtversuche unterbinden könnten, indem man die umliegende Landschaft mit bösartigen Pflanzen besiedelte. Abtrünnige Häftlinge könnten anhand ihrer Schmerzensschreie geortet werden und die Zeit in Einzelhaft damit zubringen, sich Stacheln aus dem Hinterteil zu ziehen.
    Nach zwanzig Minuten sah ich zu Dolan hinüber. »Haben Sie Kinder?«
    »Nö. Grace hat immer mal davon geredet, aber mich hat das nicht interessiert. Kinder verändern das Leben. Wir waren so zufrieden, wie es war.«
    »Bereuen Sie es?«
    »Ich befasse mich nicht groß mit Reuegedanken. Und Sie? Wollen Sie noch Kinder?«
    »Ich kann’s mir nicht recht vorstellen, aber ausschließen will ich es auch nicht. Ich bin nicht gerade berühmt für meine Beziehungen zu Männern.«
    Bei Perdido bogen wir auf den Highway 126 Richtung Landesinneres ein. Die Strommasten verschwanden. Die Berggipfel in der Ferne waren mit Schnee bestäubt, ein merkwürdiger Kontrast zum lebhaften Grün der Felder im Tal. In den Orangenplantagen hingen Früchte an den Bäumen wie Weihnachtskugeln. Die Obststände am Straßenrand waren mit Brettern vernagelt, aber in einem Monat oder so würden sie wieder aufmachen. Wir fuhren durch zwei kleine, landwirtschaftlich geprägte Orte, die sich

Weitere Kostenlose Bücher