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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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dass ich mich bei den Gastgebern bedankte und mich verabschiedete, doch weder Vera noch Neil waren zu sehen, und so hielt ich es für statthaft, mich auf Zehenspitzen zu entfernen, ohne die Aufmerksamkeit auf mein Verschwinden zu lenken.
    Als ich die Haustür hinter mir zugezogen hatte und gerade die hölzerne Verandatreppe hinabstieg, sah ich Cheney Phillips in einem dunkelroten Seidenhemd, einer schicken cremefarbenen Stoffhose und auf Hochglanz polierten italienischen Slippern den Weg heraufkommen. Cheney war Polizist und arbeitete, soweit ich zuletzt gehört hatte, im Drogendezernat. Ich begegnete ihm immer mal wieder in einem Schuppen namens Caliente Café – auch als CC’s bekannt –, das in einer Seitenstraße des Cabana Boulevard in der Nähe des Vogelreservats liegt. Gerüchteweise hatte ich gehört, dass Cheney im CC’s ein Mädchen kennen gelernt hatte und sechs Wochen später mit ihr nach Vegas geflogen war und sie geheiratet hatte. Außerdem erinnerte ich mich an den Stich der Enttäuschung, mit dem ich diese Nachricht aufgenommen hatte. Das war vor drei Monaten gewesen. »Willst du schon gehen?«, fragte er.
    »Hey, wie geht’s dir? Was machst du denn hier?«
    Er neigte den Kopf leicht zur Seite. »Ich wohne nebenan.«
    Ich folgte seinem Blick zum Nachbarhaus, das ebenfalls viktorianisch und zweistöckig war und wie ein Zwilling des Hauses wirkte, das ich soeben verlassen hatte. Nicht viele Cops können sich in Santa Teresa ein Haus von dieser Größe und aus dieser Epoche leisten. »Ich dachte, du wohnst in Perdido.«
    »Früher mal. Dort bin ich aufgewachsen. Mein Onkel ist gestorben und hat mir einen Haufen Geld hinterlassen, und da habe ich beschlossen, es in eine Immobilie zu investieren.« Er war schätzungsweise vierunddreißig, drei Jahre jünger als ich, hatte ein schmales Gesicht und einen dichten Schopf dunkler, lockiger Haare, war etwa eins dreiundsiebzig groß und schlank. Er hatte mir einmal erzählt, dass seine Mutter Luxusimmobilien verkaufte und sein Vater X. Phillips war, der Besitzer der Bank of X. Phillips in Perdido, einer Stadt dreißig Meilen weiter südlich. Er war eindeutig in einem privilegierten Umfeld aufgewachsen.
    »Schönes Haus«, sagte ich.
    »Danke. Ich bin noch am Einrichten, sonst hätte ich dir einen Rundgang angeboten.«
    »Vielleicht ein andermal«, erwiderte ich und fragte mich, wo seine Frau war.
    »Was machst du denn immer so zurzeit?«
    »Nicht viel. So dies und das.«
    »Willst du nicht wieder mit zurück auf die Party kommen und etwas mit mir trinken? Ich würde gern mit dir reden.«
    »Geht nicht. Ich habe einen Termin und bin eh schon spät dran.«
    »Aber dann demnächst mal, oder?«
    »Klar.« Ich winkte und trat ein paar Schritte zurück, ehe ich mich umwandte und auf mein Auto zuging. Warum hatte ich denn jetzt so reagiert? Ich hätte ohne weiteres noch auf einen Drink bleiben können, aber ich hielt es keine Minute mehr in dieser Menschenmenge aus. Zu viele Leute und zu viel Geschwätz.
    Um Viertel nach sechs war ich wieder zu Hause, erleichtert darüber, dass ich allein war, aber trotzdem niedergeschlagen. Obwohl ich Veras Schwager ja überhaupt nicht hatte kennen lernen wollen, war ich enttäuscht. Das Blind Date hatte sich als blasses Date entpuppt. Ein netter Typ, aber es sprang kein Funke über, was vermutlich auch gut so war. Allerdings war durchaus denkbar, dass mein Bedauern mehr mit Cheney Phillips zu tun hatte als mit Owen Hess, aber damit wollte ich mich nicht auseinander setzen. Was hätte das schon gebracht?

4
    Am Montagmorgen brach ich um sechs Uhr zum Gefängnis auf. Die Fahrt war langweilig und heiß, und mein Weg führte mich von Santa Teresa den 101 hinunter, bis zum Highway 126, der bei Perdido ins Landesinnere abbiegt. Die Straße verläuft zwischen dem Santa Clara River zur Rechten und einem Gewirr von Stromleitungen zur Linken und zieht sich an den südlichen Ausläufern des Los Padres National Forest entlang. Ich hatte Höhenlinienkarten der Gegend gesehen, in denen zahlreiche Wanderwege durch dieses kahle und bergige Gelände eingezeichnet waren. Dutzende von Bächen schlängeln sich durch die Canyons. Eine verblüffende Menge an öffentlichen Campingplätzen verteilt sich über die neunzigtausend Hektar unberührter Natur. Hätte ich keine natürliche Abneigung gegen Insekten, Schwarzbären, Klapperschlangen, Kojoten, Hitze, Brennnesseln und Schmutz, könnte ich an den berühmten Sandsteinwänden und den Kiefern, die in

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