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Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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merkwürdigen Winkeln aus den von Felsbrocken übersäten Hügeln wachsen, vielleicht Gefallen finden. Noch vor wenigen Jahren sah ich manchmal vom sicheren Highway aus einen der letzten kalifornischen Kondore am Himmel seine Kreise ziehen, die Flügel mit einer Spannweite von drei Metern so elegant ausgebreitet wie ein in der Luft schwebender Drachen.
    Ich fuhr an unzähligen Avocadohainen und Zitrusplantagen vorbei, in denen reihenweise die Orangen reiften. Alle zwei oder drei Meilen kam ein Obstverkaufsstand. In jeder der drei kleinen Ortschaften aus neu gebauten Wohnsiedlungen und protzigen Einkaufszentren musste ich an einer roten Ampel stehen bleiben. Anderthalb Stunden später erreichte ich die Kreuzung von Highway 126 und Highway 5, dem ich in südlicher Richtung folgte. Ich brauchte noch eine weitere Stunde, bis ich Corona erreicht hatte. Eine zu Gefängnisaufenthalten neigende Familie könnte keine bessere Wahl treffen, als ihre jeweiligen Haftstrafen in dieser Gegend abzusitzen, denn hier befinden sich die California Youth Authority, die California Institution for Men und die California Institution for Women, alle nur einen Katzensprung voneinander entfernt. Die Landschaft war flach und staubig, lediglich unterbrochen von Stromleitungen und Wassertürmen, die einzelnen Parzellen durch niedrige Stacheldrahtzäune voneinander getrennt. Hin und wieder tauchte eine schmale Reihe Bäume auf, was jedoch sinnlos schien. Sie spendeten weder Schatten, noch boten sie eine nennenswerte Abschirmung vor den vorbeifahrenden Autos. Die Häuser hatten Flachdächer und wirkten mit ihren heruntergekommenen Nebengebäuden schäbig. Dazu gesellten sich dicke, knorrige Bäume, deren amputierte Äste keinerlei Laub trugen, wenn sie nicht ohnehin schon ganz abgestorben waren. Wie in den meisten neu erschlossenen Gebieten Kaliforniens schlugen auch hier die neuen Wohnsiedlungen Wurzeln wie wucherndes Unkraut.
    Um halb neun saß ich auf dem Parkplatz neben dem Verwaltungsgebäude der California Institution for Women in meinem Auto. Schon seit Jahren trägt die Haftanstalt den Beinamen »Frontera«, das spanische Wort für »Grenze«. Der knapp 500000 Quadratmeter große »Campus« (wie man früher noch sagte) war 1952 eröffnet worden und bis zu diesem Jahr, also 1987, das einzige kalifornische Gefängnis geblieben, das weibliche Häftlinge aufnahm. Ich war bereits im Gebäude gewesen, hatte dem zuständigen Beamten meinen Ausweis vorgelegt und ihm gesagt, dass ich Reba Lafferty abholen wollte, deren Häftlingsnummer witzigerweise die gleiche war wie mein Geburtsdatum. Der Beamte sah in seiner Liste nach, suchte ihren Namen heraus und rief dann bei Aufnahme und Entlassung an.
    Er hatte mir empfohlen, auf dem Parkplatz zu warten, also war ich zu meinem Käfer zurückgetrabt. Auf den ersten Blick erschien mir die Ortschaft Corona etwas hässlich. Ein Streifen gelblichen Smogs hing am Horizont wie etwas, das ein Flugzeug im Zuge der Schädlingsbekämpfung hinterlassen haben könnte. Die Julihitze war so dick wie saure Milch und roch nach Mastviehbetrieben. Es wehte ein heftiger Wind, und überall waren Fliegen. Das T-Shirt klebte mir am Rücken, und ich hatte einen feuchten Schleier auf dem Gesicht – es war ein Gefühl, wie wenn man die Grippe hat und verschwitzt aus dem Tiefschlaf erwacht.
    Der Blick durch die drei Meter hohen Maschendrahtzäune war schon besser. Man sah grüne Rasenflächen, Gehwege und Hibiskussträucher mit auffälligen roten und gelben Blüten. Die meisten Gebäude waren graubraun und flach. Weibliche Häftlinge spazierten in Gruppen von zwei oder drei durch den Garten. Ich hatte mich über die Anstalt informiert und wusste, dass gerade erst eine Sonderwohneinheit mit 110 Betten fertig gestellt worden war. Die Beschäftigtenzahl lag bei insgesamt etwa 500, während die Zahl der Insassinnen zwischen 900 und 1200 schwankte. Weiße stellten die Mehrheit, und am häufigsten vertreten war die Altersgruppe der Dreißig- bis Vierzigjährigen. Das Gefängnis bot sowohl Studienmöglichkeiten als auch Berufsausbildungen an, unter anderem Computerprogrammieren. Die Gefängnisbetriebe, überwiegend Textilwerkstätten, stellten Hemden, Shorts, Arbeitskittel, Schürzen, Taschentücher, Halstücher und Kleidung für Feuerwehrleute her. Frontera diente außerdem als Zentrum für die Auswahl und Ausbildung von Feuerwehrleuten, die anschließend zum Einsatz auf die gut vierzig Naturschutzgebiete Kaliforniens verteilt

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