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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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nervt«, plappert die Rothaarige weiter. »Ich find das überhaupt voll Asi mit Hunden in der Stadt, scheißen alles zu. Da mitten auf der Fahrbahn, eklig.«
    »Auch Lakritz?«
    »Iiih nee, das macht gelbe Zähne.«
    »Zwei Mark.«
    »Jochen, gib ma zwei Mark.«
    »Haste schon wieder kein Geld bei?«
    »Bitte, bitte, bitte.« Sie sagt das so süß, daß man Zahnschmerzen bekommt. Ihr Freund kramt in der Hosentasche. Karla hält die Hand nicht hin, als Jochen die Münze herüberreicht. Er wartet ab. Die Münze hängt zwischen seinem Zeigefinger und Daumen in der Luft. Dieses Spiel gewinnt Karla, er legt die Münze brav auf den Zählteller.
    »Du, wir können das Vieh auch wieder mitnehmen«, sagt Jochen im Gehen, während Karla die Münze in den Kasseneinsatz wirft.
    »Laß mal, ich mag Filou.«
    Noch eine sinnlose Lüge. Kwiatkowski sieht, wie das Blut durch Karlas Schläfen pocht, so heftig, daß es ihr weh tun muß, aber sie lächelt. Das Lächeln ist ein Versteck. Er schaut noch mal hin und erkennt das Lächeln. Jetzt weiß er, wer sie ist. Seine Nackenmuskeln spannen sich. Er starrt mit vorgerecktem Hals. Wie eine Statue sitzt er einen Moment lang da. Das könnte interessant werden. Der Antiquar hat es sofort gewußt, aber mal wieder nichts gesagt. Nichts? Doch. Auf Wiedersehn.
    »Johanna«, sagt er leise. Karla dreht sich nicht um.
    Eine Weile wird er wohl noch bleiben. Nur ein bißchen. Florenz kann warten, das Stipendium ist ihm ohnehin egal. Geld ist nicht wichtig. Nicht für ihn. Für sie vielleicht?
    Karla schlendert herüber, bückt sich und streichelt den Hund. Wenn sie nur aufhören würde zu lächeln.
    Lenchen fährt mit dem Transporter vor. Kwiatkowski erträgt Karlas Lächeln nicht, deshalb geht er rüber in sein Atelier. Er muß die Totenmaske vom Jakob endlich fertigmachen, vielleicht freut’s Lenchen, sie wird’s nötig haben. Sein Blick fällt auf die blauen Margeriten.

6
    D er Antiquar steht da und raucht. Er schaut sich in seiner Dachwohnung um, ohne sie wahrzunehmen. Sein Blick fällt kurz auf die abgestoßene Plattenhülle – »Richard Wagner – Meisterstücke«. Schon will er hinübergehen, die Platte herausziehen, da sieht er das Griffbrett vom Banjo hinter dem Sofa hervorlugen und setzt sich auf einen Stuhl beim Fenster. Eine Zeile aus dem schottischen Lied, das sie immer gespielt haben, summt durch seinen Kopf:
    »Life has many flickering ghosts to make us hide and run.« Dieser Jakob, denkt er, verfluchter Hund, wollte einfach nicht einsehen, daß das Leben ein Ende haben muß. Das ist die ganze Geschichte. Aber nein, der wollte eine Fortsetzung und bekommt eine.
    Das Gesicht der jungen Frau war dem Antiquar sofort vertraut, obwohl all jene kleinen Schrecknisse der Vergangenheit nicht darin verzeichnet sind. Er seufzt und steht wieder auf. Er sieht sich suchend und wie belästigt um, findet den Schlüsselbund und macht sich auf den Weg zur Treppe, die direkt an seinem Zimmer vorbeiführt. Einmal entschlossen, steigt er mit festen Schritten die Stufen hinab. Unten im Erdgeschoß trifft er auf Lenchen, die Kartons mit Büchsenmilch und Kaffeedosen in den Flur stellt.
    »Nanu, wo geht’s hin?« fragt sie in gebückter Haltung, ohne aufzuschauen. Sie erwartet keine Antwort, hält nur das imaginäre Gespräch in Gang, das sie mit dem Antiquar seit Jakobs Tod führt.
    »In den Keller, will mal Jakobs Sammlung sortieren.«
    Lena schnellt hoch, sieht nur noch den Rücken von Hans-Karl, der in der Tür zum Keller verschwindet. Jakobs Sammlung. Natürlich hat sie geahnt, daß der Antiquar den Schlüssel zu dem Kellerraum besitzt, den sie gern als Trockenraum benutzt hätte. Jakob muß ihm den Schlüssel gegeben haben, wollte immer, daß der Antiquar alles durchsieht, sortiert und eine Geschichte daraus macht. Ausgerechnet.
    »Ich sag’s dir, Lenchen«, hört sie Jakobs Stimme im Flur, dieses eindringliche Raunen, das manchmal seinen überfröhlichen Trinkerbaß ablöste. »Ich sag’s dir, der hat das Zeug dazu. Wollte immer ein Buch schreiben, solange ich ihn kenne. Aber dann hat er die ganze Zeit mit andrer Leut’s Büchern verplempert. Gelesen, gelesen, gelesen. Was der alles weiß. Trotzdem, der hat das Zeug zum Schreiben, ich kann nur reden, aber sein Vater war ja Direktor von der Schule.«
    Der Antiquar steckt den Schlüssel ins Schloß, greift nach der Klinke und zieht langsam die Stahltür auf. Er holt tief Luft und atmet feuchten Kellerdunst. Mit der rechten Hand tastet er nach dem

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