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Kiosk

Kiosk

Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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anrührende Geschichten, der wußte, daß er nicht heil rauskommt.
    Kwiatkowski hält ihn in der Gegenwart fest.
    »Lenchen verhandelt mit Krahwinkel. Sie will den Kiosk verkaufen, ist die beste Zeit dafür. Der Junior wird tüchtig was hinlegen, um das Haus zu kriegen, der will sein Hotel um jeden Preis.«
    »Der kriegt ja nicht mal einen Bagger«, erwidert der Antiquar nur. Sie schauen aus dem Fenster, die Sonne malt Schattenflecken aufs Pflaster und färbt den Zigarettenrauch, den sie bedächtig ausstoßen, violett.
    »Das Lenchen verkauft nicht«, sagt der Antiquar rauh, ein Tabakkrümel kratzt ihm in der Kehle, muß zu heftig gezogen haben.
    »Dann verkauft eben Karla an Krahwinkel, ist schließlich ihr Haus. Sie lächelt diesem geistigen Bodenturner seit Tagen so verbindlich zu. Jakob der Unsterbliche hat schließlich kein Testament gemacht, oder haben Sie in seiner Sammlung was entdeckt?«
    Der Antiquar schüttelt den Kopf. Am liebsten würde er das Gespräch jetzt endgültig abbrechen, aber der Jakob will es anders. »Die Heiratsurkunde war dabei.«
    »Keine Scheidungspapiere?«
    »Für so was war Jakob nicht zu haben. ›Heiraten ist wie Achterbahn fahren,‹ war sein Spruch, ›einmal reicht fürs ganze Leben.‹ Sentimentaler Hund ist er gewesen, wissen Sie doch.«
    »Verantwortungsloser Hund, amüsant, aber verantwortungslos. Ziemlich übliche Mischung.« »Sie irren sich«, sagt der Antiquar widerwillig und denkt an die Nacht am See von Bad Zwischenahn. Mühsam rafft er sich auf und redet weiter. »Sie irren sich auch in Karla. Wegen des Geldes ist sie gewiß nicht hier.«
    Kwiatkowski, den Geld doch nicht schert, fragt: »Warum sonst?« Sie finden keine Antwort.
    »Weiß Lena über das Mädchen Bescheid?« fragt der Antiquar seufzend.
    »Ich habe ihr nichts gesagt, Sie?«
    Kopfschütteln.
    Kinderlachen perlt zu ihnen herauf, Hundegekläff, Filou jagt Nikitas fliegende Barbiepuppe. Ihre Mutter schlendert mit umschatteten Augen Hand in Hand mit dem Mann hinterher. Wegen ihrer schönen Beine und dem Blondhaar nennt der Dachdecker sie »die Monroe vom Kattenbug« und schnalzt in der Metzgerei hinter zurückgezogenen Decken mit der Zunge. Heute zeigt Nikitas Mutter die Beine und kichert verliebt. Nikita wirft die Barbiepuppe, soweit sie kann.
    In der Dachwohnung gibt der Antiquar dem Gespräch eine Wendung. »Die Kleine lacht wieder, seit die Karla da ist. Das hat keiner geschafft, Sie müssen das zugeben. Nur der Jakob. Karla ist ganz seine Tochter.«
    »Und wie war die Mutter?«
    »Schön und verbittert. Nicht jede konnte mit einem ausgemachten Faselhans, wie der Jakob einer war, leben. Das kann man verstehen.« Er kann das verstehen. Daß er sein Leben hier auf dem Kattenbug verpaßt hat, ist nicht Jakobs Schuld.
    »War aber von der berechnenden Sorte, oder? Ein Büdchenbesitzer war ihr wohl nicht gut genug.«
    Der Antiquar bekommt einen lauernden Blick. »Haben Sie Angst, daß sich so was vererbt?«
    Kwiatkowski lächelt kurz. »Nein, nur Schädelformen und Augenfarben. Aber Karla ist durch ihre Erziehung gegangen, harte Schule nehme ich an, ständig will sie etwas beweisen. Sie hätten mal hören müssen, wie sie über die Walküren gesprochen hat.«
    Ach herrje, die Walküren, so schnell wird er sie nicht mehr auflegen, denkt der Antiquar.
    »Karlas Mutter wollte sicher nur das beste für ihre Tochter, jedenfalls das, was sie dafür hielt, und das war bestimmt nicht der Kiosk.« Sie kommen nicht weiter, sie kennen Karla beide nicht.
    »Wenn die Bude nichts wert wäre, würde Karla jedenfalls schnell einen Rückzieher machen. Das Haus ist nicht schuldenfrei«, meint Kwiatkowski entschieden und drückt die Zigarette außen auf dem Fenstersims aus. Funken regnen in die Gasse.
    »Die Bude ist aber was wert, seit Krahwinkel baut. Das erste Mal, daß der Kiosk überhaupt was wert ist.«
    »Und wenn Krahwinkel aufhört zu bauen?«
    »Sie träumen.«
    Alle träumen.
    Nikita möchte Filou behalten. Und daß der Mann neben ihrer Mutter auf das Gulligitter tritt und einfach darin versickert. Er könnte zerfließen wie das milchweiße Cornetto-Eis zwischen ihren Fingern, das er ihr eben gekauft hat. Oder er könnte zu Staub zerfallen, tanzendem, flirrendem Staub, direkt vor der Ziegelmauer, die Dämonen würden ihn einfach einatmen, bevor er ihrer Mutter das Herz bricht. Staub tut nicht weh, ihm nicht, ihr nicht.
    »Bring den Hund zurück, Süße«, sagt ihre Mutter jetzt. »Wir gehen ›Beim Fährmann‹ was

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