Kiosk
hupenden Auto. Filou bellt rasend, springt an der Tür hoch, kratzt mit den Krallen am Türgummi. Nikita steigt auf die Trittstufe. Im Auto sitzt Karla. Sie hat sich einen Mietwagen genommen. Sie muß endlich die Möbel aus dem Appartement holen, bevor Krahwinkel sie wegen der Mietschulden einbehält. Nach sechs Tagen im nachgemachten Bauernbett hat sie festgestellt, daß sie ihre Möbel irgendwie mag, auch wenn sie nicht viele hat. Sie bevorzugt Reisen mit leichtem Gepäck.
Der Antiquar ist wieder auf dem Weg nach oben. Das ist alles ein bißchen viel für ihn. Und in seiner Lunge sticht’s, könnte auch das Herz sein. Er muß sich ausruhen. Er ist eben doch schon ein alter Mann, da stemmt man keine Mauern mehr raus, dabei war es ganz einfach.
Rose Quittländer ist mit dem Einsatz zufrieden. »Ich glaub’, ich nehme schon heute meinen Kaffee«, bestellt sie bei Lenchen. »Ist doch richtiges Sonntagswetter.« Sie hat Zeit und Gott sei Dank daran gedacht, die Linsensuppe auf dem Herd abzudrehen. »Samstag gibt’s bei mir immer Hülsenfrüchte, egal was kommt.«
Lenchen hört nicht hin, sie starrt Karla an.
22
M it der Rose spricht keiner mehr, obwohl Ostern ist. Sogar Lenchen nicht. So was tut man nicht, wirklich nicht. Man schwärzt keinen an, so hintenrum, auch nicht den Krahwinkel, wo’s doch nicht mal was nützt. Der Buddy ist immer noch nicht wieder aufgetaucht, wer weiß, wo der hin ist, und den Samstagsumsatz konnte sie vergessen, so ohne Baustelle. Ostern läuft auch schlecht, die Leute haben vorher alles eingekauft. Im Drogeriemarkt gab’s Kinderüberraschungseier zu neunundfünfzig Pfennig. Die von Lenchen schmelzen zum doppelten Preis im Papier vor sich hin, ein Hoch über den Azoren ist daran schuld. Am Kattenbug hat kaum einer Freude daran. Und morgen ist Dienstag und Ostern vorbei. Lenchen stellt die Schokoladenhasen vorne in die Scheibe, vielleicht kommt noch Tantenbesuch für die Festungshäuser, irgendwer muß doch einen Osterhasen vergessen haben.
Der Dachdecker sitzt hinter seinen Decken und vermißt den Deppen und die Baustelle.
»Da können wir erst mal nicht mehr hin«, hat er dem Kalle erklärt. »Die kommen immer zweimal, das sag ich dir. Aus der Traum.« Mit den Polen haben sie ihre Befreiung eine Nacht lang gefeiert, samstagnacht. Jetzt sind die Polen weg – andere Baustelle, und alle haben einen Kater und Melancholie, wie der Dachdecker meint, was ausnahmsweise stimmt.
Der Antiquar – komischer Kauz – hat nicht mitgefeiert, ist gleich wieder rauf in seine Dachkammern, direkt aus dem Keller, ohne Musik. Die Polen hatten ein Kartenspiel mit, da ist die Zeit nicht so lang geworden. Reihum durfte immer einer in Jakobs Campingstuhl sitzen. Lenchen hat ihnen Bier und Brötchen gebracht und Bescheid gesagt, als die vom Arbeitsamt endlich weg waren. Dann haben sie im Hof weitergemacht.
Die Polen haben unverständliches Zeug gesungen, und Lenchen war gerührt. »Wie der Jakob«, hat sie gesagt. Das junge Fräulein saß daneben und hat gar nichts gesagt. War aber auch gerührt. Weiber eben, trinken zuviel Wein, das macht duselig, bevor man besoffen ist.
Beim Auszug haben sie ihr dann geholfen, zehn Mark die Stunde, hat aber nur zwei gedauert, die hatte ja keine richtigen Möbel, und Kwiatkowski hat natürlich umsonst mitgemacht. Danke hat sie trotzdem nicht gesagt. Kann ihn nicht leiden. Hat sogar Zank angefangen, weil der Kwiatkowski ihre Mietschulden bezahlt hat.
»Was fällt Ihnen ein? Das zahl ich Ihnen zurück.« Weiber eben, das ganze schöne Geld umsonst rausgeschmissen. Jetzt wohnt sie nicht mehr da.
Jetzt wohnt sie im zweiten Stock überm Kiosk, will aber bald weg. Weiber eben.
Kwiatkowski kann wieder arbeiten. Wenn er aus dem Fenster schaut, weiß er, daß Karla da ist. Sie hat einen Topf Margeriten außen auf den Fenstersims gestellt. Der Antiquar hat sie ihr geschenkt. Weiter weiß keiner was, nur Nikita. Karla ist wieder da, und alles ist gut. Filou darf sie trotzdem behalten. Das ist gut, denn ihre Mutter zeigt wieder Bein. Nicht nur am Kattenbug, auch »Beim Fährmann«. Da hat sie gestern einen Handelsvertreter kennengelernt, Uhren und Schmuck. Behauptet er.
Man kann eben nicht jeden retten, denkt Lenchen, als Nikitas Mutter am Kiosk vorbeigeht, schon gar nicht vor sich selbst. Dabei hat sie ihr nach der Sache mit Nikita Karlas Job im Büdchen angeboten.
»Dann kann das Kind nachmittags bei Ihnen sein, und Sie verdienen etwas Geld neben der Sozialhilfe. Das ist
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