Kirchweihmord
selbst. Sie reckte das Kinn, schloss das Fenster im Nebenraum, verließ die Detektei und fuhr mit dem Fahrrad zu Hossfeld & Zahn. Die Optikerin brauchte keine Minute, um die Brille wieder perfekt auf Katinkas Nase zu positionieren.
»Kommt schon mal vor, Frau Palfy«, sagte sie.
Katinka überlegte, ob der Moment für Kontaktlinsen gekommen sei. Sie wollte gerade den Mund aufmachen und nach der Preisspanne fragen, entschied sich dann aber doch anders. Heute waren andere Probleme zu lösen.
Sie bedankte sich für den Gratisservice, schwang sich aufs Rad und witschte gerade noch über die Lange Straße, als die Autos an der Ampel schon anfuhren. Eine Hupe blökte vorwurfsvoll. Bei der Hitze drehten alle noch schneller durch.
Katinka fuhr in die Markusstraße. An der Ecke zum Schiffbauplatz hatte Antonella Malesanto gewohnt.
Die Haustür stand unerwarteterweise offen. Im ersten Stock putzte eine Frau in Kittelschürze und Pantoffeln den Treppenabsatz. Trotz der Hitze trug sie durchsichtige Strümpfe.
»Heiß heute, was?«, sagte Katinka. Sie machte einen großen Schritt, um den feuchten Boden nicht zu betreten.
»Do ham Sie rechd«, antwortete die Frau.
»Wie in Italien«, machte Katinka weiter. »Entschuldigen Sie, ich möchte hier nicht wieder gleich alles dreckig machen.«
»Idalien, jaja«, nickte die Frau. »Hier wohnd aa a Idalienerin. Die is zum Deutschlerna komma.«
»Wohnt sie hier auf diesem Stock?«, fragte Katinka. »Ich komme von der Sprachschule.« Sie klopfte auf ihren Rucksack. »Ich muss ihr einige Unterlagen für die Prüfungsvorbereitung vorbeibringen.«
»Naa, da müssn Sie noch an Stogg weider nauf!«
Katinka bedankte sich und lief schnell nach oben. Auf ihr Klingeln hörte sie tatsächlich Schritte. Jemand schob die Tür einen Spalt auf. Sie war mit einer Kette eingehängt.
»Ja, bitte?«
»Katinka Palfy«, rief Katinka überdeutlich mit Rücksicht auf die Kittelschürze, die ihre Wischtätigkeit für den Moment eingestellt hatte. »Ich habe einige Unterlagen für Antonella!«
»Antonella? Sie ist tot«, kam es flüsternd zurück.
»Ich bin Privatdetektivin«, sagte Katinka leise. Sie fummelte ihre Legitimation hervor. »Bitte, ich muss dringend einige Fragen an Sie stellen.«
Widerwillig löste die Frau die Kette. Katinka drückte sich in die Wohnung. Brütende Hitze empfing sie. Die Sonne hatte den ganzen Vormittag in die Wohnung geschienen.
»Ist das heiß!«
»Ja, das ist der Nachteil der Wohnung. Ich bin Mette Moldrup, Antonellas Mitbewohnerin.«
»Kommen Sie aus Dänemark?«
»Genau.«
Katinka lächelte. »Vermissen Sie nicht die Kühle und die frische Luft?«
Mette zuckte die Schultern. Sie wies auf ein Sofa und setzte sich selbst auf einen Sessel. »Möchten Sie was trinken? Die Polizei war auch schon hier und hat mich ausgequetscht. Es gibt nichts, was ich über Antonella nicht gesagt hätte.«
»Haben Sie der Polizei auch verraten, dass sie lesbisch war?«
»Was?« Mette stand wieder auf und ging in die Küche, kam mit einer Flasche Apfelsaft zurück und sagte, während sie zwei Gläser vollschenkte: »Antonella war nicht lesbisch.«
Katinka betrachtete die zierliche Frau mit dem halblangen, blonden Haar, das ihr am Kopf klebte. Wer hockte sich freiwillig bei dieser Hitze in die Wohnung? Wozu gab es Schwimmbäder, Baggerseen und einen halbwegs sauberen Fluss in erreichbarer Nähe?
»Sie hatte eine Geliebte«, entgegnete Katinka. Dankbar griff sie nach dem Saftglas.
»Davon weiß ich nichts.« Es klang ehrlich.
»Könnten Sie mir über Antonellas letzte Stunden und Tage berichten?«
»Ich habe der Polizei alles erzählt. Ermitteln Sie auch? Doppelt genäht hält besser, oder wie sagt man?«
»Tja«, sagte Katinka und schnürte ihren Rucksack auf. »Ich habe einen Klienten, der sich um seine Frau sorgt. Er hat mich beauftragt … das ist Berufsgeheimnis. Aber es gibt Grund zu der Annahme, dass die Frau meines Klienten mit Antonella zu tun hatte. Nur darum geht es mir.«
»Antonella ging am Dienstagabend aus. Sie sagte, sie wolle sich in der Stadt mit den Leuten aus ihrem Kurs treffen.«
»Kennen Sie die Kursteilnehmer?«
»Fiona Waltman, Australierin, ein Italiener namens Oreste irgendwie und ein Afrikaner, der Gervais mit Vornamen heißt.«
»Eine kleine Gruppe«, überlegte Katinka, während sie die Namen notierte.
»Ja«, sagte Mette.
»Nehmen Sie auch an dem Kurs teil?«
»Nein!« Mette lächelte. »Ich bin einige Sommer zum Deutschkurs hergekommen,
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