Kirchweihmord
zu verpassen, kümmerte Katinka sich nicht um die nächsten drei Gärten. Erst, als sie genug Abstand zwischen sich und den Kläffer gebracht hatte, wagte sie es. Sie rüttelte sacht an einem Tor. Es öffnete sich beinahe sofort. Misstrauisch fummelte Katinka ihre Taschenlampe heraus und leuchtete in den Garten. Er sah verwahrlost aus. Sicher hatte sich seit Jahren niemand um Büsche und Sträucher gekümmert. Ein Liegestuhl mit zerschlissenem Segeltuch stand mitten auf der Wiese. Weit hinten lag ein Gartenschuppen. Wohl nicht der schlechteste Stützpunkt für einen Giftmischer, dachte Katinka. Die Hütte lag völlig im Dunkeln. Auch hier hatte sie kein Problem, die Türe zu öffnen. Es roch modrig und einsam im Schuppen. Katinka leuchtete in jede Ecke. Spinnweben, ein paar Kästen Bier, die leeren Flaschen eingestaubt. Rostiges Gartengerät. Hier war lange niemand gewesen.
Katinka zog die Tür hinter sich zu und verließ den Garten. Eilig pirschte sie sich weiter vor. In wenigen Metern endete der Wald und gab den Blick auf das Klinikum frei. Die roten Begrenzungsleuchten auf dem Dach erinnerten sie immer an das Leuchtfeuer eines Flughafens. Beinahe hätte sie das kleine Tor übersehen, das links durch den Zaun führte. Die Bretter waren ausgesprochen hoch und frisch gestrichen. Katinka erblickte ein blankes Vorhängeschloss. Und dann den Aufkleber. Sie stutzte. Ein Amerika-Fan, ein Träumer, der seine Harley Davidson auf die Route 66 stellen wollte? An dem Holztor klebte das Wappentier der USA, der Weißkopfseeadler. Eagle!
Katinka atmete angespannt. Sie umrundete das Grundstück, soweit sie konnte. Es war das letzte auf der linken Seite, bevor die Bäume endeten. Der Zaun war ordentlich instand gesetzt. Ohne die Taschenlampe anzuschalten schlich Katinka bis zum unteren Ende. Der Schuppen lag im Finstern.
Jetzt kommt es drauf an, dachte Katinka. Ob Eagle hier war? Sich seiner tödlichen Alchimie hingab?
Sie atmete für einige Sekunden ganz ruhig. Machte die Augen zu. Lauschte. Dann versuchte sie ihr Glück mit dem Schloss. Ihre Finger schwitzten in den Latexhandschuhen. Sie kriegte es nicht auf. Rasch warf sie noch einmal einen Blick nach rechts und links, dann klemmte sie sich das Taschenmesser zwischen die Zähne und kletterte den Holzzaun hoch. Sie war kräftig genug, um sich an der glatten Oberfläche hochzuziehen. Ihr linker Fuß stützte sich an dem Schloss ab. Vorsichtig hob sie erst das eine, dann das andere Bein über die doppelte Lage Stacheldraht. Ohne auf der Innenseite irgendetwas zu sehen, sprang sie. Ihr weites Hemd blieb am Stacheldraht hängen. Das laute Ratsch , als der Stoff riss, klang nicht freundlich. Es war ihr egal. Sie stand auf Eagles Grundstück.
14. Nächtliche Pirsch
Während sie sich ohne Licht zum Gartenschuppen vortastete, zählte sie ihre Schritte. Bei 30 hielt sie inne und lauschte. Der Garten bestand nur aus einem ordentlich gemähten Rasen. Keine Gemüsebeete, keine Blumen. Die Hütte lag still. Katinka lehnte sich ein paar Meter entfernt an einen Baum und wartete ab. Nichts geschah. Sie bewegte sich vorsichtig auf die Hütte zu. Zweige knackten. Katinka betrat den kleinen Vorplatz. Ordentlich waren die Holzplatten ausgelegt. Ein Korbstuhl stand dort. Jemand könnte gemütlich vor seiner Laube sitzen, ein Glas Wein trinken und über die Welt philosophieren. Katinka betrachtete die Tür. Eine Eisentür, wie man sie in Kellern oft fand. Sie tastete sich zum Fenster vor. Verhängt, von innen. Du konntest nicht ernsthaft gedacht haben, hier reinzumarschieren und die Chemieausrüstung in Augenschein zu nehmen, kritisierte sie sich selbst. Sie rüttelte probeweise an den Fensterflügeln. Es klirrte leise. Katinka schrak zusammen. Noch ein anderes Geräusch drang an ihr Ohr. Sie zog sich instinktiv ein Stück zurück in den Schatten der Bäume. Schon hob sie die Waffe, als sie bemerkte, dass das Geräusch ferner Schritte, das sie so erschreckt hatte, von außerhalb des Gartens kam. Sie hielt den Atem an und wartete ab. Die Schritte entfernten sich. Ein einsamer Spaziergänger, dachte Katinka, Eagle jedenfalls nicht.
Sie wandte sich wieder der Hütte zu. Aber alle Versuche, hineinzukommen, schlugen fehl. Das Sicherheitsschloss der Eingangstür war für sie nicht zu knacken. Die Fenster auf der Rückseite hatte jemand sorgfältig zugenagelt. Sie versuchte es noch einmal mit dem vorderen Fenster. Nichts. So vorsichtig sie sich auch bemühte, einen der beiden Flügel auszuhebeln,
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