Kirchweihmord
achtete gar nicht auf ihn.
»Woher wussten Sie das?«
»Meine Schwester ist mit Eagle ausgegangen, er hat es ihr erzählt.«
Harduin Uttenreuther zog eine Augenbraue hoch.
»Der Garten ist der letzte in der Reihe«, sagte Katinka. »Vom Weinbergweg aus links gelegen.«
»Also«, sagte Uttenreuther und stand auf. Er nahm eines der Telefone ab.
»Er ruft jetzt den Staatsanwalt an«, flüsterte Schröppel.
»Moment, Moment«, sagte Emmerling. »Hören Sie, junge Frau, Ihre Initiative in Ehren, aber ich muss doch …« Es schien, als lege er sich die Worte sehr sorgfältig zurecht. Dann machte er eine wirre Bewegung mit der Hand und sagte: »Bringen Sie die Dame nach Hause.«
Katinka schnaubte. Allein Uttenreuthers eindringlicher Blick hielt sie davon ab, zu widersprechen. Sie nickte ihm zu, sah geflissentlich an Emmerling vorbei und verließ das Zelt.
Schröppel kam ihr nach.
»Ich brauche jetzt noch ein Bier«, sagte Katinka. Sie hoffte, Emmerling würde es hören. »Sonst kriege ich heute Nacht kein Auge zu.« Schröppel griff nach ihrem Arm. Sie machte sich ungeduldig los, was ihr sofort Leid tat. »Warten Sie bitte noch einen Moment«, flüsterte sie. Laute Stimmen drangen aus dem Zelt. Zwei Beamte kamen zögernd näher. Schröppel schüttelte den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. Katinka hatte ihn noch nicht rauchen sehen. Verlangend sah sie auf die Schachtel in seiner Hand. Wortlos hielt Schröppel sie ihr hin. Sein Feuerzeug klickte ein zweites Mal. Katinka formte ein lautloses Danke mit den Lippen. Sie lauschte angestrengt.
»Herr Kriminalhauptkommissar«, tönte die spotttriefende Stimme Emmerlings zu ihnen hinaus. »Das genehmigt Ihnen der Staatsanwalt nie!«
Uttenreuther schien leiser zu antworten. Andere Stimmen mischten sich ein. »Keine Gefahr in Verzug«, sagte jemand. Es klang triumphierend. Armer Hardo, dachte Katinka.
Schröppel drückte seine Zigarette umsichtig an einem Stein aus. Er fischte einen winzigen, verschließbaren Aschenbecher aus seiner Hosentasche und verstaute die Kippe darin. Katinka spürte Nebel und ein seltsames Kreisen in ihrem Kopf. Sie hatte sich das Rauchen längst abgewöhnt. Peinlich berührt stippte sie den Rest ihrer Zigarette in Schröppels Behältnis.
Schweigend gingen sie an der Weide unter den Bäumen entlang. Katinka warf einen kurzen Blick auf die stillen Häuser. Im Frühsommer hatte sich dort in dem grauen Gebäude, auf dem ein Schild mit der Aufschrift Universität Bamberg prangte, ein Mord ereignet. Ihr Mentor Julius Liebitz, bei dem sie nach dem Erwerb ihrer Lizenz einige Zeit gearbeitet hatte, pflegte sie daran zu erinnern, dass Detektive zwar unterschiedliche Menschen, aber auf Dauer immer die gleichen Beweggründe kennen lernten, die schließlich die Verbrechen auslösten. Im vergangenen Mai waren es Eifersüchteleien, die Gier nach Karriere und Erfolg gewesen. Einige schwache Menschen um die Täterin herum hatten diese gestützt, ohne es zu wollen. Wer von uns weiß eigentlich, welcher Sache er wirklich dient, sinnierte Katinka.
An der Ecke zur Markusstraße ging es wieder lebhafter zu. Erleichtert fuhr sich Katinka durchs Haar und schüttelte einige bröselige Blattreste heraus. Sie warf einen Blick auf ihr Hemd. Der Riss klaffte gut sichtbar vor ihrem Bauch, parallel zur Knopfleiste. Sie warf einen Blick auf Schröppel, der desinteressiert geradeaus sah. Schnell verknotete Katinka die beiden losen Enden.
In der Pizzeriaküche unter ihrer Wohnung brannte noch Licht. Die fröhlichen Stimmen und das Geschirrklappern beruhigten Katinka. Schröppel ging mit ihr die Treppe hinauf. Er ließ Katinka aufschließen, ging dann als erster hinein und durchsuchte die ganze Wohnung.
»Möchten Sie ein Bier?«
Katinka trat an den Kühlschrank und nahm zwei Flaschen Fäßla heraus.
»Danke, das ist nett. Aber ich sollte wohl mal nach Hause gehen. Schließlich bin ich nicht mehr im Dienst.« Er lachte verschmitzt und reichte Katinka die Hand. »Schließen Sie ab und lassen Sie niemanden mehr rein. Gute Nacht, Frau Palfy.«
Danke für den heldenhaften Ratschlag, dachte Katin-ka. Sie schloss die Tür hinter Schröppel und köpfte die erste Flasche Bier.
Kaum hatte sie einen Schluck getrunken, klingelte das Telefon. Sie meldete sich mit einem dürren Hallo.
»Katinka? Ich bin’s, Tom!«
»Hej, Tom Dooley.« Sehnsucht überfiel Katinka im gleichen Moment. Sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn Tom zu Hause gewesen wäre, gerade heute Abend,
Weitere Kostenlose Bücher