Kirchweihmord
erkennen.
Die Dornenhecke am Ende des Weges bildete ein Spalier. Katinka biss die Zähne zusammen. Alle ihre Muskeln spannten sich an. Sie tastete nach der Waffe und nahm sie aus dem Holster. Das Klicken, als sie sie entsicherte, erschreckte sie. Wenn ein einsamer Hundehalter seinen Liebling Gassi führt und mich hier mit meiner Halbautomatik fuchteln sieht, dachte sie, dann wird ’ s lustig.
Aber sie war allein. Schnell lief sie das letzte steile Stück zur Straße hinunter. Der Parkplatz, wo Ausflügler ihre Autos abstellen konnten, um den Burgberg zu Fuß zu erklimmen, lag verwaist im Dunkeln. Die Straße wurde schmal und wand sich nach oben. Katinka zweigte nach links in den Weg ab, der den gesamten Burgberg umrundete. Sie hatte auf einem Stadtplan nochmal genau nachgesehen, wie er verlief.
Jetzt war sie dankbar für ihre Turnschuhe. Der Weg war steinig. Der ansonsten übliche Morast auf diesem Pfad hatte jedoch wegen der langen Hitzeperiode keine Chance gehabt und war zur Gänze ausgetrocknet. Dennoch hatte der Weg seine Tücken. Völlig uneben schlängelte er sich durch den Wald. Katinka sah kaum die Hand vor Augen, vermied aber, die Taschenlampe anzuknipsen. Plötzlich rutschte sie ein Stück ab und klammerte sich mit der freien Hand an einem Busch fest. Erschrocken hielt sie inne.
Ich bin nur ausgerutscht, sagte sie sich. Nur ausgerutscht. Hier liegen überall Steinchen verstreut. Sie stolperte weiter. Das größte Problem, das vor ihr lag, bestand darin, dass sie keine Ahnung hatte, welcher der Gärten hier Winfried Denninger gehörte. Sie hoffte, an den Eingängen Namensschilder zu finden. Doch viele Besitzer verzichteten darauf, ihren Namen an die Tore zu schreiben. Sie begnügten sich mit einem › Betreten verboten‹ oder vertrauten allein auf eine hohe Umzäunung. Fast alle Zäune waren mit Stacheldraht gekrönt. Seltsam, dachte Katinka. Bewahren die Leute ihre Perserteppiche im Gartenschuppen auf?
Aus der Ferne hörte sie Stimmen.
Sie presste sich gegen eine Hecke. Etwas Dumpfes rumpelte. Sie erschrak, bis sie merkte, dass es ihr Herz war. Langsam bewegte sie sich weiter. Im ersten Garten auf der rechten Seite fand eine Party statt. Leise schwirrte Musik durch die Nacht. Katinka lugte zwischen den Zaunlatten durch. Sieben oder acht Personen hockten um einen Gartentisch, tranken Wein und unterhielten sich. Als flöße die Nacht ihnen Respekt ein, klangen ihre Stimmen gedämpft.
Katinka schlich sich weg von dem belebten Garten. Der Kontrast zwischen dem hellen, gemütlichen Plausch dort drinnen und der Schwärze auf dem Weg schien ihr unheilverkündend. Vorsichtig hielt sie sich am Rand des Pfades.
Direkt neben ihr schlug ein Hund an. Katinka fuhr so heftig zusammen, dass sie meinte, ihr Herz würde stehen bleiben. Sie konnte das grüne Funkeln in den Augen des Tiers erkennen. Nur ein Maschendrahtzaun trennte sie von seinem Zorn. Wütend bellte der Hund. Weit hinten im Garten wurde eine Tür geöffnet: Licht drang zu ihr herüber. Katinka besann sich. Sie ging so schnell und leise weiter, wie sie konnte. Der Hund raste kläffend an der Innenseite des Zauns entlang. Jemand richtete den Strahl einer Halogenlampe in ihre Richtung. Katinka duckte sich und rannte.
Sie stolperte über die unebenen Steine, rutschte hin, stützte sich mit der Hand ab und lief weiter. Ein anderer Garten lag nun neben ihr. Eine Stimme rief den Hund zur Ordnung. Dann quietschte ein Tor.
»Hallo?«
Die Stimme klang missmutig und vorsichtig. Eagle ist es jedenfalls nicht, dachte Katinka. Es war die Stimme eines älteren Mannes, der nun anscheinend auf dem Weg stand und in Katinkas Richtung leuchtete. Sie warf sich nach rechts in die Büsche. Das Taschenmesser lag schwer in ihrer linken Hand. Sie bekam nicht die richtige Klinge zu fassen, so sehr zitterten ihre Hände. Ich kann doch den Hund nicht abschlachten, dachte sie. Aber es kam kein Hund. Sie lag bebend auf dem Bauch, die Beretta in der ausgestreckten Rechten. Unmöglich, den Weg hier wieder zurückzugehen. Lieber würde sie bis Wildensorg laufen und sich ein Taxi rufen, um wieder in die Stadt zu kommen.
Katinka wartete 15 Minuten. Dann stand sie auf, klopfte sich Zweige und Blätter aus den Kleidern und ging weiter. Hinter ihr war nichts mehr zu hören.
Die Angst trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Der nächtliche Ausflug war eine Schnapsidee. Melissa hingegen feierte wahrscheinlich schon mit den DLRG-Leuten.
Auch auf die Gefahr hin, Eagles Gartengrundstück
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