Kirchweihmord
es gelang ihr einfach nicht. Dieser Gartenschuppen war sehr effizient gegen Einbruch geschützt worden. Auch eine Erkenntnis, überlegte Ka-tinka. Sie zerrte die Latexhandschuhe von ihren schweißnassen Händen und stopfte sie in den Rucksack. Zweige knackten. Ganz nah, auf der anderen Seite des Zauns.
Katinka hob den Kopf, um zu lauschen. Das Blut rauschte in ihrem Kopf wie ein Wasserfall. Mit einem Mal hatte sie nur noch den dringenden Wunsch, hier zu verschwinden, schon weg zu sein, sich aufgelöst zu haben, sich wegzuzaubern, wie auch immer. Sie wusste, dass Panik in Situationen wie dieser kein hilfreicher Gast war. Zuerst musste sie sich beruhigen, nachdenken, einen Entschluss fassen.
Sie zielte in die Finsternis. Ganz langsam setzte sie einen Fuß hinter den anderen. Ihre Augen scannten den Zaun. In der Dunkelheit konnte sie nichts erkennen, aber ihre Antennen verrieten ihr, dass ein lebendes Wesen jenseits des Bretterzauns lauerte und auf sie wartete.
Sie würde in den Nachbargarten klettern und dann von dort aus auf den Weg zurückkehren. Sie glaubte sich zu erinnern, dass der Garten neben Eagle von einem viel niedrigeren Zaun umgeben war. Bei dem Gedanken, wieder am Grundstück des Bluthundes vorbeizumüssen, wurde ihr übel.
Sie brauchte nicht lang, um eine geeignete Stelle zu finden, an der sie über den Zaun steigen konnte. Ein Baumstumpf eignete sich als Trittbrett. Sie zwang sich, behutsam und möglichst lautlos vorzugehen. Mühevoll wich sie dem Stacheldraht aus. Als sie absprang, ritzte sie sich dennoch die Hand auf. Sie fühlte das warme Blut zwischen die Finger rinnen und wischte sie an den Jeans ab. Dann wartete sie. Sicher hatte der andere ihre Landung zwischen dem raschelnden, alten Laub vom Vorjahresherbst hören können. Aber nichts geschah. Langsam schlich sie sich durch den ungepflegten Garten zum Zaun. Neben dem Tor zog sie sich hoch, schob erst ein Bein hinüber, dann das zweite, verharrte einen Augenblick in der unbequemen Stellung auf dem Bauch und blickte den Weinbergweg entlang. Nichts war zu erkennen. Keine verdächtigen Schatten, kein Lebewesen, sie hörte kein Atmen und keine Schritte.
Rasch sprang sie hinunter. Auf dem unebenen Weg geriet sie durch den Schwung ins Rutschen und fiel hin. Sie stützte sich mit der verletzten Hand ab und zog vor Schmerz die Luft ein. Dann rappelte sie sich auf und lief so schnell und leise sie konnte den Weg zurück, den sie gekommen war.
»Katinka!«, flüsterte jemand.
Das Ende. Katinka fühlte sich plötzlich ganz ruhig. Sie fragte sich, ob ihr Herz noch schlug. Sie entsicherte die Beretta und wirbelte herum.
Der Schatten stand mitten auf dem Weg.
»Hardo hatte doch recht. Sie sind wirklich ein bisschen verrückt«, sagte der dunkle Jemand. Katinka ächzte.
»Herr Schröppel?«
Binnen Bruchteilen von Sekunden fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Hauptkommissar Uttenreuther überließ nichts dem Zufall, und schon gar nicht ließ er sich zu allzu viel Vertrauen der Bamberger Jungdetektivin gegenüber verleiten. Lieber schickte er seinen frühpensionierten Kollegen auf die Pirsch.
»Verflucht, haben Sie mich erschreckt!«
Sie steckte die Pistole weg.
»Kommen Sie«, sagte Schröppel. Er trat nun näher. Katinka sah sein Gesicht nur im Schatten.
»Was wollen Sie von mir?«
»Und was machen Sie in fremden Gärten?«
»Ich übe meinen Beruf aus«, sagte Katinka würdevoll.
Schröppel lachte. »Ganz wie Hardo sagte. Was halten Sie davon, wenn wir beide einen einsamen Nachtspaziergang zurück in die Stadt machen?«
Katinka war flau im Magen. Sie öffnete ihren Rucksack und fischte einen Schokoriegel heraus. Die Aufregung hatte ihren Motor am Laufen gehalten, aber nun, da die Panik auf einmal erloschen war, fühlte sie sich ausgepumpt und völlig fertig.
»Unterzucker«, sagte Schröppel freundlich. Er wartete, bis Katinka den Riegel vertilgt hatte.
Sie gingen den Weg zurück. Der Hund schlug an und raste wie ein Irrer neben ihnen am Zaun entlang. Wieder kam sein Besitzer herbei, aber Katinka und ihr Begleiter achteten nicht darauf.
Als sie die Altenburger Straße erreichten, atmete Ka-tinka auf. Das Licht der Straßenlampen tröstete sie mehr, als sie zugeben wollte.
»Hardo hat sie mir hinterhergeschickt?«, fragte sie und brach das Schweigen.
»Ich habe sie fast aus den Augen verloren. Sie sind ganz schön schnell.«
»Eagle hat dort oben eine Hütte. Sie ist völlig verrammelt. Was, wenn er dort seine Ricinsamen
Weitere Kostenlose Bücher