Kirchwies
eine Weile. »Ja. Das ist genau der Klang. Dass ich das noch mal hab hören dürfen. Perfekt. Das ist genau das Auto. Das, wo ich in der Nacht gehört hab!«
Gab es eine bessere Bestätigung als diese?
Wenn die Stadtmüllerin nicht irrte, war Scheiberl etwa zur Tatzeit mit seinem Auto am Libellenweg 18 gewesen. Er hatte draußen auf der Straße geparkt und war nach einiger Zeit wieder weggefahren. Genau in dieser Zeit hätte er Thea Brommel umbringen können.
Doch warum hätte er das tun sollen?
zwei
Das Extra für den Bauer Benedikt hatte darin bestanden, dass er sich unter der Dusche abseifen ließ. Thea musste dabei nackt mit ihm in der Dusche stehen. An jedem der vier Mittwochvormittage, an denen Thea ihn besucht hatte, hatte der Bene sie nackt unter der Bettdecke erwartet. Es war ihre Aufgabe, ihn aus dem Bett zu jagen und ihm auf dem Weg ins Badezimmer den nackten Hintern zu versohlen. Wenn er dann schwer atmend in der Dusche stand, zog auch sie sich langsam aus, drehte das Wasser auf, seifte ihn ordentlich ein und wusch ihn von oben bis unten ab. Das war’s dann auch schon gewesen, wie der Bene betonte. Keine sexuellen Berührungen, keine weiteren Intimitäten. Theas Lohn für dieses Extra: hundertfünfzig Euro. Campari fand Benedikts Erklärungen plausibel.
Was war hier in seinem Herzlichsten Dorf vorgegangen? Wie herzlich war man untereinander gewesen? Campari musste den Kopf schütteln und konnte es nicht fassen.
War die tote Thea, die er exklusiv als die seine angesehen und behandelt hatte, einer besonderen Art der Prostitution nachgegangen? Sie hatte ältere Herren besucht, die sich auf ihre alten Tage noch ein paar seltsame Spielchen gönnten. Und er selbst, Campari, hatte während der ganzen Zeit nichts davon bemerkt. Nun, wie hätte er auch sollen? Thea war liebevoll zu ihm gewesen, hatte akzeptiert, dass er verheiratet war und bestimmte Regeln einhalten musste. Die perfekte Geliebte eben. Die von ihm kein Geld verlangt hatte. Die er ab und zu mit einem kleinen Präsent verwöhnt hätte, wäre sie länger bei ihm geblieben.
Campari war für gewöhnlich ein geradliniger und unbeirrbarer Mann. Doch dieses Drama um Thea stieß seine Unerschütterlichkeit um wie einen Felsblock, der nur einen leichten Schubs braucht, um den Berg hinunterzurollen.
»Hallo, Fritzi! Wie sieht’s bei dir aus?« Campari hätte sich auch ohne Telefon mit ihr unterhalten können, so laut sprach er.
Mit einem freundlichen Winken hatte sich Fritzi von Gabriella und Willy Brey verabschiedet und trat auf die Straße hinaus.
»Ich hab mit dem Trainer und seiner Frau gesprochen«, sprach Fritzi leise in ihr Handy. »Größtenteils Fehlanzeige. Willy und Gabriella Brey. Italienerin, die Frau. Ich hab ihnen die Fotos vorgelegt. Die Frau konnte sich daran erinnern, dass Thea schwanger gewesen war. Aber das war, bevor die beiden nach Wasserburg gekommen sind. Privat kannten sie die Thea auch nicht. Verschlossen sei sie gewesen, habe nichts von sich erzählt. Ich soll mich beim nächsten Training mit den Spielerinnen unterhalten, vielleicht wüssten die mehr.«
Fritzi war langsam weitergetrottet Richtung Bushaltestelle. »Aber einen Fingerzeig hab ich erhalten«, fuhr sie fort. »Thea hat angeblich öfters davon gesprochen, nach Bad Reichenhall fahren zu wollen. Grund allerdings wieder unbekannt. Es war nur ein vager Hinweis. Krieg ich jetzt eine Dienstfahrt mit dem Bus nach Bad Reichenhall?« Fritzi lachte leise.
Das Dreizehntausend-Einwohner-Städtchen Wasserburg lag malerisch wie ein kleines Venedig auf einer Halbinsel in einer Schleife des Inns. Gemächlich bewegte sich Fritzi durch die mittelalterliche Altstadt mit ihren bunten gotischen Häusern. Es war noch Zeit, bis der Bus abfuhr. Ab und zu erntete sie erstaunte Blicke, bildete sich aber nicht ein, dass das hier in Wasserburg mit ihrer boxerischen Popularität zusammenhing. Sie war sich vielmehr bewusst, dass sie zwar eine schmächtige Person war, aber jede Menge Willenskraft und Stärke ausstrahlte. Sie duckte sich unter die Arkaden hinweg und landete schließlich in einem reizenden sonnenbeschienenen Straßencafé. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie empor zu einem mächtigen begehbaren Turm, während sie das Handy ans Ohr presste und Campari zuhörte.
»Was wissen wir?«, sagte Campari. Es klang eher so, als ob er sich selbst die Frage stellte.
»Eigentlich noch nicht sehr viel. Obwohl wir einige beachtliche Details haben, sind wir dem Täter noch lang nicht
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