Kirmes des Todes
Waldhausen überzeugen und Fräulein Dagmar“, redete Gisela munter weiter.
„Daggi ist kein Problem und Waldhausen hat das zu tun, was ich ihm sage“, gab sich Bahn forsch. „Dem bringe ich das schon bei.
Das Rauchen haben wir ihm abgewöhnt, da werden wir ihm ja doch wohl auch noch unsere Thea aufschwatzen können.“
Er setzte sein breites, freches Grinsen auf.
Gisela sah ihn skeptisch von der Seite an. „Was denkst du wieder, du Schlawiner?“
Wenn Bahn so unverschämt grinste, war er mit sich und der Welt zufrieden oder heckte irgend etwas aus. „Nun sag’ schon“, drängelte Gisela ihn, während sie ihre Hand fest auf seinen Oberschenkel drückte. „Was ist?“
„Eigentlich nichts“, antwortete Bahn gleichgültig. „Es ist belanglos. Ich habe nur daran gedacht, daß Waldhausen doch ledig ist.“
Glücks-Fred
Die Anstellung von Thea Schramm war tatsächlich kein Problem. Die junge, sympathische Frau wurde sofort von den Kollegen der Tageblatt-Redaktion herzlich aufgenommen und von Fräulein Dagmar nach allen Regeln der Kunst bemuttert Waldhausen erhielt zu seiner Verwunderung für ihre Anstellung sogar noch ein ausdrückliches Lob von der Verlagsleitung; es sei eine ausgezeichnete menschliche Geste.
Schnell hatte sich Thea integriert. Bald duzten sich alle bis auf Thea und Waldhausen. Sie blieben unbeirrt beim förmlichen „Sie“.
„Immerhin ist er mein Chef, Helmut“, machte Thea Bahn auf die Hierarchie aufmerksam. Und Waldhausen antwortete ihm auf eine Bemerkung deutlich: „Ich kann doch nicht jeden duzen.“
Es war nahezu selbstverständlich, daß Thea miteingeladen war, als die DTB-Truppe am Eröffnungstag der Annakirmes komplett zum Annakirmesplatz marschierte.
Und es war auch schon fast selbstverständlich, daß pünktlich zum Kirmesbeginn das bis dahin hochsommerliche Wetter umschlug und es merklich kühler wurde. Wenn die Annakirmes beginnt, dann steht der Winter auf der Rurbrücke, hieß es dazu im Dürener Volksmund. Ob damit die Jahreszeit gemeint war oder doch nur ein kontrollierender Polizist gleichen Namens, darüber streitet man sich schon seit ewiger Zeit ergebnislos.
Im großen Festzelt hatte die Journalisten an einem reservierten Tisch Platz genommen. Bei schmissiger Blasmusik warteten sie wie die vielen Schaulustigen auf den obligatorischen Faßanstich durch Bürgermeister Walter Walter.
Der joviale Bürgermeister schritt behende durch die dichten Reihen an den Pressetisch, wie immer gefolgt von seinem ständigen Begleiter Kurreck. Walter strahlte wieder einmal sein Politlächeln, als er die Journalisten einzeln per Handschlag begrüßte. Der hatte was vom Arbeitsminister Norbert Blüm gelernt, dachte Waldhausen in Erinnerung an frühere Bonner Zeiten. Blüm ließ auch fast keine Journalistenhand ungeschüttelt.
Nur an Bahn ging Walter grußlos vorbei, um sich dann wieder strahlend Thea zu nähern. „Welch’ neuer und erfrischender Anblick in dieser tristen Runde“, meinte er mit vermeintlichem Charme. Als ihm Kurreck aber Theas Namen zuflüsterte, wurde er blaß und ging schnell fort.
„Der mag uns nicht“, sagte Bahn provozierend laut zur jungen Witwe.
„Ich mag ihn auch nicht“, gab sie leise zurück. Waldhausen hatte die peinliche Szene stirnrunzelnd verfolgt. Er wäre am liebsten aufgestanden und hätte Walter eine gescheuert.
Endlich waren die drei Böllerschüsse zu hören.
Walter griff zum hölzernen Hammer und schlug den Zapfhahn gekonnt in das vom Festzeltwirt spendierte Bierfaß. „Die Annakirmes ist eröffnet“, krächzte er frohgelaunt mit dem gefüllten Bierkrug in der Hand. „Laßt uns unser schönes und großes Volksfest an der Rur feiern!“ Der ehemalige Karnevalsprinz verstand es, Fröhlichkeit auszustrahlen und seine Umgebung mit seiner Begeisterung anzustecken. Das hatte immer funktioniert und funktionierte auch diesmal wieder. Schnell kam Stimmung auf im Festzelt, das schon traditionell vom Wirt der Birkesdorfer Festhalle betrieben wurde. Er tat dies schon seit etlichen Jahren, nachdem sein Vorgänger, noch zu Zeiten von Zins, aufgehört hatte. Und er tat es gut.
Die Annakirmes war eröffnet. Der Platz war schon gut bevölkert an diesem Samstagnachmittag, als Walter und mit ihm die Journalisten im Schlepptau über das Gelände schlenderten. Langsam mischte sich der Duft von Zuckerwatte und Popkorn mit der Ausdünstung der Getränkestände und der
Weitere Kostenlose Bücher