Kirmes des Todes
Grenzland. „Da kriegen wir nie die Nase dran, wenn sich bei den Knollenbauern im Kreis Heinsberg was tut. Damit müssen wir leben.“ Waldhausen nahm es nicht tragisch. Er hätte ja ohnehin nichts ändern können.
Bahn lief unruhig in seinem Zimmer hin und her. „Ich rufe jetzt den Paul an. Der soll es mir selbst sagen.“ Er wählte seine Privatnummer in der Hoffnung, das Gisela zu Hause wäre. Sie mußte ihm die Geheimnummer vom „Armen Paul“ aus seinem privaten Telefonverzeichnis heraussuchen.
Doch Bahn hatte Pech. Sie hat wohl wieder mal die Zeit, das Geld auszugeben, das ich verdiene, dachte er grimmig. Immer wenn man sie braucht, ist die Frau nicht da.
Auf einem Zettel notierte er sich einen Hinweis und steckte das kleine Blatt in eine der Taschen seiner Lederjacke.
„Ein anderes Thema.“ Waldhausen stand wieder im Türrahmen. „Wir dürfen uns doch noch eine Sekretärin anschaffen.“ Er hatte schon kurz nach seinem Antritt in Düren beim Verlag in Köln geltend gemacht, daß die Mehrarbeit durch die Technologisierung der Redaktion unmöglich nur von einer Sekretärin zu schaffen sei. „Und du glaubst es kaum, die haben uns tatsächlich eine Halbtagskraft bewilligt.“ Waldhausen war zufrieden und grinste. „Unser Fräulein ist auch einverstanden. Dann könne sie gleich ihre Nachfolgerin einarbeiten. Sie will ja in spätestens fünfzehn Jahren aufhören.“ Er blickte Bahn an. „Kennst du vielleicht eine Frau oder einen Mann, der den Job hier machen könnte? Du bist doch von hier.“
Das ist typisch für Waldhausen, bemerkte Bahn. Er gibt uns die Möglichkeit, mitzuentscheiden. Garantiert hatte Waldhausen schon die anderen Kollegen und selbstverständlich auch Fräulein Dagmar um Vorschläge gebeten.
„Ich schlafe mal drüber. Mir fällt bestimmt jemand ein.“ Und Bahn dachte dabei an seine Dauerfreundin Gisela, die sich dann ihr eigenes Geld für ihre Klamotten verdienen könnte. Bahn machte sich eine weitere Notiz und steckte auch diesen Zettel in seine Lederjacke.
„Ich? Mit dir? In einem Büro?“ Gisela schüttelte unwirsch den Kopf. „Das kannst du dir abschminken.“ Sie lehnte strikt ab, als ihr Bahn am Abend den Halbtagsjob vorschlug. „Du bist doch der größte Chaot. Meinst du etwa, ich habe Lust, mich mit dir auch noch tagsüber zu zanken. Dann sind wir in einem halben Jahr geschiedene Leute.“
„Wer solls denn machen? Ich weiß keinen.“ Bahn schwieg und dachte ebenso nach wie Gisela.
„Ich hab’s“, sagte sie schließlich. „Ich kenne die richtige Frau für dich.“
Bahn schaute sie fragend an. „Und wer soll das sein?“
„Thea Schramm!“
Natürlich! Bahn tippte sich an die Stirn. Warum war er nicht selbst darauf gekommen? Thea Schramm wäre die richtige Frau.
Er suchte das Telefon und wählte ihre Nummer.
Thea Schramm war zu Hause und lud ihn ein. Sie freue sich, wenn er sie besuchen käme. „Und bringe bitte Gisela mit!“
Schweigend fuhren Bahn und Gisela nach Birkesdorf, wo Thea immer noch in der Zollhausstraße wohnte. Sie hatten ein schlechtes Gewissen. Lange Wochen hatten sie sich nicht mehr um Thea Schramm gekümmert. Seit der Geburt von Konrad junior waren sie bloß zwei oder drei Mal bei der jungen Witwe des unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommenen Kollegen Konrad Schramm gewesen.
Mehr schlecht als recht schlug sich die Frau durchs Leben. Noch reichte ihr Geld, wie Bahn und Gisela wußten. Aber irgendwann müßte Thea irgendwo wieder arbeiten; trotz des Kleinkindes.
Das Wiedersehen war herzlich. Mit dem Kind war Thea wieder aufgeblüht. Nach Konrads Tod hatte sie eine schwere Zeit verlebt und war damals von Gisela mit sehr viel Fürsorge bedacht worden. Die beiden Frauen mochten sich.
Prompt geriet Bahn bei der angeregten Plauderei über das Kinderkriegen und Aufziehen schnell ins Hintertreffen. Fehlt nur noch, daß Gisela jetzt auch ein Baby haben will, dachte er knurrig.
Thea war angetan von dem Vorschlag. Halbtags am Nachmittag in der Redaktion, das könne sie sich gut vorstellen. Für die paar Stunden würden ihre Eltern bestimmt Konrad junior beaufsichtigen. „Der pennt doch sowieso noch die meiste Zeit.“
Erst spät, gegen Mitternacht, verließen Bahn und Gisela die Wohnung und Thea, der der Abend sichtlich gutgetan hatte. „Wir müssen Thea häufiger besuchen“, mahnte Gisela, als sie in den Porsche kletterte. „Ich mag sie.“ Bahn schwieg.
„Jetzt mußt du nur noch
Weitere Kostenlose Bücher