Kirmes des Todes
Waldhausen. Er sah ihn in einem Disput mit Wenzel.
Der Kriminalbeamte stand stramm vor dem Journalisten, der ihn barsch abkanzelte. Waldhausen drohte Wenzel ein Disziplinarverfahren an. Er werde sich massiv beschweren, wenn Wenzel ihn weiter bei der Arbeit behindere und seinen beleidigenden Tonfall nicht mäßige. Waldhausen schrie Wenzel an, er solle gefälligst den Weg freimachen.
Und Wenzel trat erschrocken und widerstandslos zur Seite. Wie ein begossener Pudel ging er davon. Waldhausen näherte sich Bahn. Ruhig und gefaßt sagte er: „Ein weiterer Helfer ist gestorben, damit sind es schon sieben Tote.“
„Nein“, korrigierte Bahn erschüttert, „es sind jetzt acht. Glücks-Fred hat’s auch erwischt.“ Er war froh, daß Waldhausen in seiner Nähe war. Es beruhigte ihn ungemein.
Über eine Stunde lang beobachteten die beiden Journalisten das hektische Treiben der Rettungskräfte, das tatenlose Ausharren der Feuerwehrleute und die regulierenden Arbeiten der Polizisten. Aber sie konnten keinen Kollegen der Konkurrenz erblicken. „Die haben das nicht mitgekriegt“, meinte Bahn erstaunt. „Na und“, entgegnete sein Chef gelassen. „Das kannst du morgen in allen Agenturen lesen und in allen Radiosendungen hören. Die werden auch darüber berichten, keine Bange.“
Langsam räumte die Polizei die Unfallstelle wieder ab. Die Rettungswagen fuhren zur Leitstelle zurück. Auch die Leichenwagen konnten fahren. Die beiden Hubschrauber der Search-and-Rescue-Staffel starteten wieder zu ihrer Heimatbasis auf dem Fliegerhorst in Nörvenich.
Bahn erblickte Grundmann, der aufgeregt auf Küpper einredete. „Sie müssen den Platz unbedingt wieder freigeben, sonst werden die Leute rebellisch“, forderte der Organisator des Rummels eindringlich. „Die Geschäfte müssen laufen, Herr Kommissar. Hier ist doch alles getan.“
Der Bernhardiner blickte mit trüben Augen um sich. „Machen Sie doch, was Sie wollen. Ich wünsche Ihnen eine schöne Kirmes.“ Er drehte sich um und wollte gehen.
Bahn lief ihm nach und sah im letzten Moment, daß sich auch Wenzel näherte. „Was ist passiert?“
Küpper lächelte ihn betrübt an. „Sie haben es doch gesehen, Herr Bahn. Und Ihr Kollege war doch sogar vor mir hier.“ Er zog Bahn am Ärmel zu sich und flüsterte ihm ins Ohr. „Der ist verdammt gut, dein Chef.“ Laut sprach er weiter. „Ihr Kollege weiß doch alles. Oder?“
Bahn gab sich mit dieser Auskunft nicht zufrieden. „Warum ist Glücks-Fred unter den Toten? Wieso saß der Losverkäufer im Wagen?“
„Das könnte ich Ihnen erklären, Herr Journalist“, mischte sich Wenzel forsch ein, „aber ich will es nicht.“
„Dann erkläre es mir bitte“, blaffte ihn Küpper barsch an, „aber so laut und deutlich, daß ich es auch verstehe!“
Wenzel zuckte erschrocken zusammen. „Die haben Leute gesucht, die gerne bei der Probefahrt mitmachen wollten. Der Kirmesbeauftragte Grundmann hat schon im Wagen gesessen, da kam der Typ vorbei. Grundmann hat mit ihm getauscht.“ Wenzel zuckte mit den Schultern. „Des einen Leid, des anderen Freud, so ist das halt im Leben und im Tod“, meinte er lakonisch.
Küpper reichte Bahn die Hand. „Scheiß Bereitschaftsdienst. Bis morgen bei der PK.“ Er ging, ohne sich um Wenzel zu kümmern. Bahn blickte sich nach Waldhausen um, aber er konnte ihn nicht finden. Plötzlich fühlte er sich erschöpft und ausgelaugt. Glücks-Fred hatte vielen Glück gebracht, nur sich selbst nicht, sagte er sich. Das Glück hatte Fred verlassen.
Bahn konnte es nicht mehr länger auf dem Platz aushalten, der sich langsam wieder mit Menschen füllte. Der Rummel raubte ihm die Luft. Die Neonreklamen leuchteten wieder grell, aus dem Musikboxen dröhnten die neuesten Hits, die Geruchsschwaden aus Bier und Pommes, Zuckerwatte und Backfisch zogen wieder auf.
Langsam fuhr Bahn nach Hause. Still kleidete er sich aus und legte sich ins Bett. Er wollte sich an Gisela schmiegen. Doch sie drehte sich energisch ab.
„Hat dich dein Informant etwa versetzt?“, zischte sie zynisch. Bahn schwieg und weinte.
Mallorca
Als Bahn am nächsten Morgen müde und erschlagen zu seinem Sonntagsdienst in die Redaktion kam, fand er Waldhausen schon hinter dem Schreibtisch am Computer hocken.
„Wenn’s dir nichts ausmacht, mache ich mit“, sagte sein Chef mit der ihm typischen Gelassenheit. „Ich habe schon die Bilder abgezogen und einen Text geschrieben.“ Er zeigte
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