Kirschroter Sommer (German Edition)
… oder man konnte fast den Eindruck bekommen, er wäre in mich verknallt. Vielleicht hatte er das aus irgendeinem Buch? Einem schlechten Buch, wenn dann …
Jedenfalls hatte ich keine Ahnung, von welchem Gesicht er da redete, meins konnte es gewiss nicht sein.
»Okay … das war … seltsam …«, murmelte ich.
»Seltsam?«
»Ja ganz recht. Ich könnte auch ›unheimlich‹ sagen, wenn du damit mehr anfangen kannst.«
»Warum?«
»Schwer zu erklären«, begann ich, »aber es war so ziemlich der größte Mist, den ich jemals gehört habe.«
Gut, das war gelogen. Vielmehr waren es die schönsten Komplimente, die ich je in meinem Leben erhalten hatte. Aber ich konnte sie ihm einfach nicht glauben. Sperre in den Augen? Gab es so etwas überhaupt? Einen Einblick in mein Innenleben gab ich tatsächlich niemanden gerne, aber dass ausgerechnet er das zu deuten vermochte, lag jenseits meiner Vorstellungskraft.
Elyas lachte und schüttelte den Kopf. »Wir hatten vorhin ein gutes Argument gefunden, warum du mir glauben kannst«, erinnerte er mich.
Das Argument war, dass er alles dafür tat, nur um eine Nacht mit mir zu verbringen. Man könnte jetzt behaupten, er hätte das mit meinem Gesicht nur gesagt, damit sein Wunsch endlich in Erfüllung ginge. Das erklärte allerdings wiederum nicht, warum er diesen Wunsch überhaupt hegte …
»Also, nehmen wir mal an, du sprichst die Wahrheit«, sagte ich.
»Das brauchen wir nicht annehmen, das ist so!«
»Also, Gesetz dem Fall, du hast mich gerade nicht angelogen«, setzte ich neu an und wurde wieder unterbrochen.
»Wieso kannst du nicht einfach glauben, dass ich dich hübsch finde?«
»Darauf wollte ich gerade hinaus, aber irgendwie komme ich nicht dazu!«
Er seufzte. »Okay, dann mach …«
»Also, falls es stimmen sollte, was du gerade gesagt hast«, begann ich und ignorierte das leichte Knurren, das ich dafür erntete, »dann betrifft es nur mein Gesicht. Aber mit einem Gesicht kann man nicht schlafen.«
Gut, dieses Argument war hinfällig, seitdem ich Nicolas und Eva in flagranti erwischt hatte – aber davon wusste ja Elyas nichts.
Ich bereute mein Gesagtes schneller als mir lieb war, denn schon im nächsten Atemzug ließ Elyas‘ einen anzüglichen Blick über meinen gesamten Körper gleiten. Prompt bekam ich heiße Wangen.
»Nun«, sagte er, als er seine Augen nach eingehender Musterung wieder auf die Straße lenkte, »ich mag deinen Körper genauso sehr wie dein Gesicht. Würde ich dir jetzt aber aufzählen, warum ich das tue, dann wären meine Rippen dieses Mal mit Sicherheit gebrochen.«
Ich kniff die Augen zusammen und wünschte mir nichts sehnlicher, als eine Neun-Millimeter mit Schalldämpfer. Als Elyas gleich darauf den Mustang parkte, kam mir das sehr entgegen. Ich hätte ohnehin keine Antwort auf seinen blöden Kommentar gewusst.
Bevor er wieder auf die Idee kam, mir die Tür aufzuhalten, tat ich das kurzerhand selbst und stieg aus. Er seufzte und wartete, bis ich um das Auto herumgegangen war, damit wir gemeinsam loslaufen konnten. Zu meinem Leidwesen hielt er nicht viel von Abstand.
»Der Gehweg ist zwei Meter breit, wir brauchen nicht platzsparend zu laufen«, murmelte ich, was ihn sehr zu amüsieren schien. Leider dachte er aber nicht im Traum daran, etwas an der Nähe zu ändern – im Gegenteil. Zwei Meter weiter spürte ich, wie er seinen Arm um meine Taille legte und sich mit seinen Lippen meiner Schläfe gefährlich näherte. Ich knurrte, wandte mich aus seinem Griff und ging vor ihm in die Kneipe.
Alex und Sebastian waren zwar körperlich anwesend, geistig hingegen schienen sie sich an einem weit entfernten Ort zu befinden. Ich hatte keine Ahnung, wo dieser Ort lag, ich wusste nur, dass sie dort gemeinsam waren.
Ständig kicherten sie, warfen sich verliebte Blicke zu und sprachen eine eigenartige Sprache, die wohl nur sie beide verstanden, während der Rest mit gerunzelter Stirn daneben saß. Der Rest bestand in diesem Fall aus niemand anderem als Elyas und mir.
Ungewollt hatte ich eine neue Gemeinsamkeit mit ihm: Wir waren zur falschen Zeit am falschen Ort.
Zu Anfang hatte ich Alex‘ und Sebastians Umgang miteinander noch als süß empfunden, doch nach zwei Stunden Liebesgesäusel hämmerte mir nur noch der Schädel. Lange würde ich das mit Sicherheit nicht mehr aushalten.
Elyas, der neben mir saß, hatte den Kopf auf den verkreuzten Armen liegen. Sein Blick war auf mich gerichtet.
Eigentlich hätte ich längst an seine
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