Kirschroter Sommer (German Edition)
sie auf einmal mit diesem Thema an?
»Ich habe eben Augen im Kopf.«
»Offensichtlich brauchst du ‘ne Brille«, sagte ich und versuchte einen morschen Ast abzubrechen, der sich prompt wehrte und einen Kratzer auf meinem Handrücken hinterließ.
»Aua!«, fluchte ich. Den Kampf wollte ich trotzdem nicht aufgeben und zog weiter daran. Nachdem er sich ein letztes Mal aufgebäumt hatte, hielt ich ihn schließlich triumphierend in den Händen.
»Ich finde es jedenfalls nicht mehr normal, wie viel Zeit ihr miteinander verbringt«, sagte sie.
»Ja, das ist auch nicht normal. Aber das liegt definitiv nicht an mir«, antwortete ich. Ihr Misstrauen konnte ich überhaupt nicht gebrauchen. Stand mir so sehr auf der Stirn geschrieben, wie durcheinander mich ihr blöder Bruder machte? Ich bekam Bauchschmerzen. Niemals durfte jemand von meinem Gefühlschaos erfahren. Und schon gar nicht Alex. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte ihre Klappe einfach nicht halten.
»Ich habe ihn schon mal nach dir gefragt«, sagte sie und bückte sich nach einem Stück Holz.
»Nach mir?«
»Ja, aber er gibt mir keine wirkliche Antwort auf die Frage, was genau er mit seiner Aufdringlichkeit bezwecken will.
»Sebastian habe ich übrigens auch schon auf den Zahn gefühlt«, ergänzte sie.
»Du hast Nachforschungen angestellt?«, fragte ich entsetzt.
Sie zuckte mit den Schultern. »Nur mal vorsichtig angefragt … Er ist aber nicht wirklich darauf eingegangen. Dabei weiß ich genau«, fuhr sie verschwörerisch fort, »dass Elyas sehr wohl mit ihm über so etwas spricht!«
»Alex, du siehst Gespenster«, sagte ich. »Überleg doch mal, du bist meine beste Freundin. Wieso sollten sie ausgerechnet dir erzählen, dass Elyas nur das Eine im Kopf hat? Du bist immerhin das größte Plappermaul, das auf diesem Erdboden herumläuft.«
Sie kniff die Augen zusammen und blickte mich düster an.
»Außerdem gibt es überhaupt nichts zu sagen. Wo nichts ist, kann man auch nicht darüber reden. Comprende?«
Sie brummelte vor sich hin, widmete sich wieder unserer eigentlichen Aufgabe und ließ das Thema glücklicherweise auf sich beruhen.
Als wir nach zehn Minuten genug Brennholz zusammen hatten, gingen wir zurück zur Lichtung. In der Mitte war ein großer Steinkreis für das Feuer angelegt worden. Um diesen herum lümmelten Elyas, Andy, Sebastian, Domenic und Jan auf ausgebreiteten Decken. Die erste Runde Bier war bereits eingeläutet und aus dem Ghettoblaster tönte französischer Reggae.
»Na, Mädels?«, begrüßte ich die Jungs und warf das Holz neben den Steinkreis. Zur Antwort bekam ich ein nörgelndes, männliches Raunen, das mich zum Grinsen brachte.
Alex und ich setzten uns dazu, und nach einer Weile kehrte eine entspannte und lustige Stimmung ein. Es war noch zu hell, um das Lagerfeuer zu entzünden, und so saßen wir in gemütlicher Runde im Kreis und aßen leckere Sandwiches, die Sophie für alle vorbereitet hatte.
Zu meiner Rechten befanden sich Sebastian und Alex, die nicht mal beim Essen ihre Finger voneinander lassen konnten. Auf meiner anderen Seite saß Nick, der mir ohne Pause die Ohren volllaberte. Er erzählte irgendetwas von technischem Kram, von dem ich keine Ahnung hatte und eigentlich auch keine Ahnung haben wollte. Aber höflich wie ich war nickte ich an den richtigen Stellen.
Sophie verhielt sich mir gegenüber weiterhin neutral – was ich von Yvonne und Jessica nicht behaupten konnte. Immer wieder sah ich sie tuscheln und Blicke in meine Richtung werfen. Besonders Jessica machte den Eindruck, als hätte sie eine Bombe in meinem Zelt platziert und würde nur darauf warten, dass ich endlich hineinginge.
Ich hielt den Abstand zu den beiden möglichst groß. Andys Hand schob sich in mein Blickfeld und griff nach dem fünften Sandwich. Ein Ende schien noch lange nicht in Sicht. Wenn er mal gerade nicht kaute, trank er einen Schluck Bier, und wenn er keines von beidem tat, dann lachte er so laut, dass der Boden vibrierte.
Ich stellte mein Wasser neben mich und befreite mein Käsesandwich von der Plastikfolie. Als ich einen Bissen davon nahm, spürte ich zum wiederholten Male Elyas‘ Augen auf mir ruhen. Er saß zwei Plätze von mir entfernt und hatte scheinbar nichts Besseres zu tun, als andauernd in meine Richtung zu schielen. Sobald sich unsere Blicke trafen, sah ich schnell woandershin.
»Ich hole mir noch ein Bier«, sagte Nick und stand auf. Den Kasten hatten die Jungs zum Kühlen ins Seewasser
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