Kirschroter Sommer (German Edition)
ausfallen zu lassen, war allerdings auch keine Alternative, weil es ausgerechnet eine wichtige war und ich keine Lust hatte, zwanzig Leuten nachrennen zu müssen, ehe mir endlich jemand seine Notizen borgte.
»Elyas fährt dich bestimmt«, schlug Alex vor.
Ich schnaubte. »Wow, tolle Idee!«
»Was willst du sonst machen? Zu Fuß schaffst du es nicht mehr.«
Trotzdem … Und überhaupt … Und … Ach Mann!
»Ist der überhaupt hier? Warum nervt er dann nicht schon längst?«
»Ich habe ihm nichts von unserem Frühstück erzählt und offenbar hat er’s nicht mitbekommen.« Sie zuckte mit den Schultern.
Ich blickte auf den Tisch und murmelte vor mich hin. Alles in mir wehrte sich dagegen, gleichzeitig aber wurde mir bewusst, keine andere Möglichkeit zu haben. Ich konnte absolut nicht in Worte fassen, wie sehr mich das frustrierte! Irgendjemand in diesem Universum hatte etwas gegen mich, so viel war sicher.
Leise fluchend schob ich meinen Stuhl zurück und stand auf.
»Dann gehe ich mich mal selbst erniedrigen …«, verkündete ich. Wie konnte es jemals so weit kommen, dass ich genötigt war, ihn – ausgerechnet ihn! – um Hilfe bitten zu müssen? Und nicht nur das, nein – ich war auch noch gezwungen, Zeit mit ihm zu verbringen.
Keinen Schritt zu schnell schlurfte ich durch den Flur und verlor mit jedem Meter, den ich hinter mir ließ, ein weiteres Stückchen meiner Selbstachtung.
Ich klopfte an seine Zimmertür, und schon kurz darauf hallte mir ein »Ja?« entgegen. Einen tiefen Atemzug nehmend, drückte ich die Klinke nach unten.
Elyas saß auf einem schwarzen Sessel und hielt ein Buch in den Händen, welches er, als er mich erkannte, etwas unbeholfen hinter seinem Rücken versteckte. Er trug kein Oberteil und der Reißverschluss sowie die Knöpfe seiner Hose standen offen, so als wäre er erst vor kurzem aufgestanden und nur schnell hineingeschlüpft. Sein Oberkörper war … athletisch, und grenzte schon fast an sexuelle Belästigung. Deswegen wandte ich meinen Blick rasch wieder davon ab.
»Emely«, stellte er verzögert fest.
»Was versteckst du?«, wollte ich wissen, weil ich seine Reaktion doch ein wenig seltsam fand.
»Ach, nichts Wichtiges.«
» Harry Potter ?«, fragte ich selbstgefällig.
»So etwas in der Art«, sagte er und räusperte sich. »Verstehe mich nicht falsch«, fuhr er fort. »Natürlich freue ich mich über deinen Besuch, aber etwas verwundert bin ich ehrlich gesagt schon. Darf ich fragen, was du möchtest?« Charmant lächelte er mich an und wartete auf meine Antwort.
»Genieß diesen Moment, denn es wird nie wieder passieren«, murmelte ich und lehnte mich mit gesenktem Blick gegen den Türrahmen. »Ich möchte dich um etwas bitten.«
Entspannt lehnte er sich im Sessel zurück. »Ach, tatsächlich?«, fragte er. »Alles, was du möchtest, mein Schatz.«
Es half nichts, auch wenn ich ihn am liebsten schon wieder umgebracht hätte, war dafür jetzt keine Zeit. Ich schaffe das , appellierte ich an mich, und quetschte die furchtbaren Worte aus mir heraus: »KönntestduUnifahrenBusverpasst-«
»Ich verstehe kein Wort«, unterbrach er mich, woraufhin ich laut aufstöhnte.
»Ob du mich zur Uni fahren könntest. Ich habe um Eins eine Vorlesung und blöderweise den Bus verpasst.«
»Bitte«, fügte ich schwerfällig hinzu.
Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, ehe er sich elegant erhob und langsam auf mich zu kam. Er stoppte nur wenige Zentimeter vor mir, sodass ich zu ihm aufsehen musste. Wie aus Reflex verschränkten sich meine Arme ineinander.
»Sehr gerne«, flüsterte er und blickte mir tief in die Augen. »Gib mir fünf Minuten, damit ich duschen kann. Dann fahre ich dich in die Uni.«
Ich biss mir auf die Lippe. »Kannst du nicht danach duschen?«
»Du hast gesagt, deine Vorlesung fängt um 13 Uhr an, richtig?«
Ich nickte, während er noch mal einen Blick hinter sich auf die Uhr warf. »Jetzt haben wir 12:44 Uhr«, sagte er. »In fünf Minuten bin ich fertig und in weiteren fünf Minuten stehst du vor deiner Uni. Du wirst also auf jeden Fall rechtzeitig dort ankommen.«
»Okay, danke«, murmelte ich und konnte seinem Blick, der immer intensiver wurde, langsam nicht mehr standhalten. Je mehr Zeit verging, desto unwohler fühlte ich mich und kam mir fast entblößt vor. Trotzdem wandte ich meine Augen keine einzige Sekunde von ihm ab, weil es fatal gewesen wäre, mir auch nur die kleinste Unsicherheit anmerken zu lassen.
»Ist noch etwas?«, fragte
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