Kismet in Kairo
Hauch traf mich von der linken Seite. Ich glaubte zudem, dort eine Bewegung wahrgenommen zu haben, drehte blitzschnell den Kopf, und was ich dann zu sehen bekam, das passierte während einer Sekunde.
Dort sah ich die Gestalt.
Es war ein Frauenkörper. Nur halb bedeckt. Er wirkte wie die Verführung persönlich. Er stand oder schwebte über dem Boden, und ich schaute in ein Gesicht, das von hellen Haaren umrahmt wurde und etwa die Farbe des Mondlichts hatte. Ich entdeckte auch die glasklaren Augen und das wissende Lächeln. Eine Botschaft für mich.
Dann war sie weg.
Verschwunden, aufgelöst, als hätte es sie nie zuvor gegeben. Einfach nicht mehr da.
Ich stand da wie ein Liebhaber, der versetzt worden war. Auch das Prickeln war nicht mehr vorhanden, doch ich war mir sicher, daß ich die geheimnisvolle Fatima gesehen hatte. Kurz nur hatte sie sich mir gezeigt, und es war einer Offenbarung gleichgekommen.
Ich stieß die Luft aus, drehte mich wieder um. Dabei hatte ich jetzt die Gewißheit, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Vor wenigen Minuten noch war es anders gewesen.
»John, was ist denn?« Sukos Ruf holte mich endgültig zurück in die Realität.
Ich drehte mich wieder um und ging zurück zu unserem Tisch. Dort setzte ich mich auf meinen Platz, sammelte meine Gedanken und schaute zunächst einmal ins Leere.
»Was ist denn passiert?« fragte er.
»Tja, wenn ich das wüßte.« Meine Lippen zeigten ein dünnes Lächeln.
»Wir befinden uns hier im Orient, und ich habe tatsächlich den Eindruck gehabt, einer Fata Morgana erlegen zu sein.«
»Du hast etwas gesehen?«
»In der Tat.«
»Das war sie, nicht wahr?« fragte Hogland. »Sie müssen Fatima entdeckt haben. Oder sie hat uns entdeckt.«
»So war es.«
»Und jetzt?« wollte Suko wissen. Er saß gespannt da und wartete auf meine Antwort.
»Was soll ich dir sagen, Suko? Ich weiß zumindest, daß diese Person existiert. Es gibt sie. Fatima ist kein Spuk, keine Einbildung. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen; davon rücke ich nicht ab.« Ich nickte in Richtung des Professors. »Kompliment, Mr. Hogland, Sie haben uns keine Märchen erzählt.«
Beinahe ärgerlich fragte er: »Haben Sie das denn tatsächlich geglaubt, Mr. Sinclair?«
»Nicht direkt, aber es war nicht leicht nachzuvollziehen.«
»Da gebe ich Ihnen recht. Aber jetzt glauben Sie daran?«
»Ja, das tue ich.«
»Und, Mr. Sinclair? Was ist mit meiner Beschreibung gewesen, an die Sie sich hoffentlich noch erinnern werden. Hat sie so ausgesehen, wie ich es Ihnen erzählte?« Der Professor fieberte meiner Antwort entgegen.
»Das hat sie tatsächlich.«
»Wunderbar«, freute er sich. »Das ist einfach wunderbar.« Er rieb seine Hände, wobei er sich räusperte. »Ich bin froh, daß Sie mich in meiner Meinung unterstützen. Da stehe ich nicht mehr auf verlorenem Posten. Und diese Person hat uns gesehen. Sie hält uns unter Kontrolle, ich habe es gespürt.« Er lehnte sich zurück und wirkte plötzlich erleichtert.
»Das ist kein Stillstand mehr. Ihr Erscheinen sagt mir, daß es weitergehen muß und auch weitergehen wird. Da können Sie sagen, was Sie wollen.«
Ich winkte ab. »Keiner von uns hat Sie so angesehen, Professor, das müssen Sie uns schon glauben. Aber Ihre Erlebnisse waren eben rätselhaft, zudem verbunden mit Theorien, die für uns absolut neu waren. Da mußten wir schon skeptisch sein.«
»Das verstehe ich ja.« Er deutete plötzlich mit dem rechten Zeigefinger auf mich. »Aber eines steht fest, Mr. Sinclair. Sie sind von ihr entdeckt worden, und das war sicherlich kein Zufall. Fatima hat Sie persönlich ausgesucht. Für mich steht jetzt schon fest, wer in der nächsten Nacht Besuch bekommen wird.«
»Dann kann ich mich ja auf etwas gefaßt machen.«
»Ja, das können Sie.«
Suko stieß mich an. »Freust du dich schon auf die Nacht? Soll ich sicherheitshalber bei dir im Zimmer bleiben?«
Das war keinesfalls spaßhaft gemeint. Aus seinen Worten sprach die reine Sorge.
»Nein, das ist nicht nötig, Suko. Ich hoffe, daß ich mit ihr allein zurechtkomme.«
»Und worauf beruht Ihre Hoffnung?« wollte Walter Hogland wissen.
Ich berichtete ihm und Suko von meinem ungewöhnlichen Gefühl, das mich überkommen hatte. Als wäre ich von einem Band in eine bestimmte Richtung gezogen worden. Und natürlich erzählte ich von der leichten Erwärmung des Kreuzes, die Suko nachvollziehen konnte, denn er wußte ja um die geheimnisvolle Kraft des Ankhs, dessen Macht
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