Kismet Knight
berücksichtigen. Es tut mir leid, aber unter diesen Umständen werde ich das Mietverhältnis beenden und Sie bitten müssen auszuziehen.
Man hat mich nicht in Ihre Praxis gelassen, aber nach allem, was ich höre, sind die Räumlichkeiten nicht mehr in dem Zustand, in dem Sie sie angemietet haben. Ich hoffe in Ihrem Interesse, dass Ihre Versicherung sich der Sache annehmen wird.«
Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, aber die Worte erstarben mir in der Kehle. Er hatte in jeder Hinsicht recht. Ich starrte in sein rot angelaufenes Gesicht, sah die Adern auf seiner Stirn pochen, als er mit der zweiten Strophe seiner Tirade begann, und tat mir ungeheuer leid.
Vor zwei Wochen war ich noch eine angesehene und erfolgreiche Therapeutin mit einem ruhigen und vorhersehbaren Lebensstil gewesen. Es mochte in diesem Leben etwas langweilig hergegangen sein, aber es war
normal
hergegangen. Keine Vampire, religiösen Eiferer, FBI-Agenten mit Mission, Mausoleen, Leichen und verwüsteten Praxisräume. Und warum hatte ich eigentlich nicht mit Yoga oder Bauchtanz angefangen? Irgendetwas, das keine monströsen Rechnungen von der chemischen Reinigung mit sich brachte?
»Sind Sie der Manager hier?«, bellte Lieutenant Bullock aus wenigen Schritten Entfernung.
Er schob die Lippen vor und nickte.
Sie händigte ihm eine Geschäftskarte aus. »Wenn Sie Beschwerden im Hinblick auf die Art und Weise vortragen wollen, wie diese Untersuchung durchgeführt wurde, dann wenden Sie sich bitte an diese Telefonnummer. Dr. Knight hat nichts getan, als ihrer Bürgerpflicht nachzukommen und der Polizei ein Verbrechen zu melden. Vielleicht wollen Sie sich zunächst bei Ihrem Anwalt über die juristische Zulässigkeit Ihrer Kündigung informieren.«
Sie wandte sich wieder mir zu, legte mir die Hand um den Oberarm und manövrierte mich von dem vor Wut zitternden Manager fort.
»Bitte kommen Sie mit, Dr. Knight! Einige der Patienten, die heute Vormittag Termine bei Ihnen gehabt hätten, warten im Erdgeschoss auf Sie. Einer der Beamten wird Sie nach unten begleiten.«
Ich wusste nicht, was ich am verblüffendsten finden sollte – ihre Zurechtweisung des Managers, seine mühsam unterdrückte Wut oder die Tatsache, dass sie mir gegenüber nett war.
Nachdem ich meinen besorgten Patienten gegenüber einige Erklärungen abgegeben und ihnen versprochen hatte, ihre Termine so schnell wie möglich nachzuholen, vereinbarte ich zusätzlich ein paar Kurztermine mit ihnen, um sie zu beruhigen. Danach rief ich die restlichen Leute an, die heute an der Reihe gewesen wären, und erklärte ihnen die Situation.
Irgendwann während all der Telefonate fielen mir auch die beiden neuen vampirischen Patienten ein, die sich für heute Abend angekündigt hatten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie erreichen konnte – sie hatten mir lediglich Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, in denen sie mir mitteilten, dass sie kommen wollten.
Vielleicht sollte ich beim
The Crypt
vorbeigehen und Devereux eine Nachricht hinterlassen. Aber war der Laden tagsüber überhaupt offen?
Es würde einfach warten müssen. Als Erstes musste ich zurück in mein eigenes Stockwerk und mich um Midnight und Ronald kümmern.
Sie waren sehr ausgiebig und sehr hartnäckig befragt worden und sahen benommen und ratlos aus wie verlassene Hündchen, die darauf warten, dass jemand sich ihrer annimmt.
Im Augenblick wollte niemand mehr etwas von ihnen, und Lieutenant Bullock ordnete an, sie nach Hause zu bringen. Ich brachte sie bis nach unten und schlug vor, dass wir uns am nächsten Tag bei mir zu Hause trafen.
Sie nickten mir beide zu, und Midnight nahm mich kurz in den Arm.
Kaum dass sie auf dem Rücksitz eines Streifenwagens verschwundenwaren, kamen Lieutenant Bullock und Alan ins Foyer herunter. Er hatte mir aus dem Hausflur oben meine bordeauxfarbene Handtasche und die dazu passende Aktentasche mitgebracht und sich die Handtasche an ihrem langen Riemen über die Schulter gehängt, und er hatte eine Hand auf ihr liegen, als wäre es vollkommen normal, dass er eine Handtasche trug. Die Gelassenheit, mit der er das modische Accessoire spazieren führte, entlockte mir das erste Lächeln seit Stunden.
Eine Ewigkeit später saß ich in meinem Wohnzimmer in dem riesigen unglaublich bequemen Sessel, von der Taille abwärts in orangefarbene Hosen aus Polizeibeständen gekleidet und mit Papierschuhen nach der allerletzten Mode an den Füßen. Und ließ mir die Ereignisse der
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