Kismet Knight
McDonald’s-Becher, den einer der Beamten mir gereicht hatte, während die Neuankömmlinge sich das Schlachtfeld in dem Mausoleum ansahen. Auf etwas Derartiges zu stoßen war wahrscheinlich der übelste Teil des Polizistenberufs.
McCarthy, immer noch etwas grün im Gesicht, wandte sich an mich.
»Ich bitte um Entschuldigung, Dr. Knight. Sie hatten recht. Dort unten liegen Leichen. So lange bin ich noch nicht dabei, aber das ist bisher entschieden das Schlimmste, was ich gesehen habe. Waren Sie wirklich die ganze Nacht da unten?«
»Ich nehm’s an. Ich erinnere mich nicht. Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass ich heute Morgen dort aufgewacht bin.«
»Hier wird es gleich von Spurensicherern wimmeln, also wäre es wahrscheinlich am besten, wenn Sie sich von uns in die Stadt fahren lassen, damit Sie hier wegkommen. Sie können sich sicher vorstellen, dass die Presseleute auftauchen werden, und wahrscheinlich wollen Sie sich nicht gerade in dieser Verfassung blicken lassen.« Er zeigte auf meine schauerlich dekorierte Kleidung und schüttelte den Kopf. »Kennen
Sie
denn einen Psychologen, mit dem Sie reden können?«
Ich schnaubte. »Jetzt, wo Sie’s erwähnen – ich bin mir nichtsicher, ob einer von denen mir glauben würde. Ich bin mir nicht einmal ganz sicher, dass ich mir glaube.«
Er winkte eine Polizistin zu uns, die gerade erst eingetroffen war, und bat sie, mich in die Stadt zu fahren. Dann studierte er mich noch einmal. »Ich bin froh, dass Sie so hartnäckig waren.«
»Das ist eine hübsche Bezeichnung dafür.« Ich lächelte ihn an, und er entfernte sich, wobei er schon wieder sein Handy am Ohr hatte.
Dann folgte ich der Polizistin vom Friedhof und zu ihrem Streifenwagen. Sie öffnete sämtliche Fenster, warf mir im Rückspiegel einen Blick zu und sagte: »Nehmen Sie’s mir nicht übel.«
Wir hatten uns gerade in Bewegung gesetzt, als eine Kolonne von Sendewagen eintraf. Ich war sehr froh, jetzt nicht noch zusammenhängende Sätze vor einer Kamera sagen zu müssen, denn dabei hätte ich kläglich versagt. Ich konnte nur hoffen, dass es auf dem Polizeirevier schnell gehen würde, fürchtete aber, dass das illusorisch war.
Der Medienzirkus, der sich bereits rund um das Hauptquartier abspielte, machte es notwendig, mich durch die Tiefgarage und einen alten Notausgang in das Gebäude zu schmuggeln. Offenbar hatte meine Viertelstunde des Ruhms die Medien aufmerksam gemacht. Mein Verschwinden war in einen Zusammenhang mit den ungeklärten Mordfällen gebracht worden, und das Vampirthema konnten die Boulevardzeitungen sich natürlich nicht entgehen lassen.
Auf dem Polizeirevier zu sitzen kam einem dieser Träumegleich, in denen man wieder an der Highschool ist. Die Sorte, in der alle in einem weiten Bogen um einen herumgehen, starren, mit den Fingern zeigen und lachen.
Hier lachte zwar niemand, aber jeder, der näher als bis auf drei Meter an mich herankam, zuckte zusammen, fuhr zurück und machte, dass er aus meiner Nähe fortkam. Sie waren unverkennbar schockiert, einen Geruch, der eher auf ein Schlachtfeld gehörte, an der Psychologin zu finden, deren Gesicht offenbar den ganzen Vormittag über im Fernsehen zu sehen gewesen war.
Wie einer der Beamten es zusammenfasste: »Für das da gibt’s einfach keine Bezeichnung.«
Ich brauchte nicht lange, um meine Aussage zu Protokoll zu geben, denn ich erinnerte mich schließlich nur an die letzten beiden Stunden. Ich wusste nicht, was passiert war, bevor ich aufwachte, und ich hatte keine Ahnung, wer mich dort hingeschafft hatte.
Aber immerhin stellte sich heraus, dass ich mir keine Gedanken darüber zu machen brauchte, ob ich bis in alle Ewigkeit dort sitzen würde. Tatsächlich erwies sich die Aufgabe, in einem schlecht gelüfteten Dienstzimmer meine Aussage zu Protokoll zu nehmen, als so strapaziös, dass meine Gastgeber es gar nicht erwarten konnten, mich ins Labor weiterzuschicken.
Ich hatte erwartet, dass man mir eine Dusche zeigen und mich dann mit einem dieser kleidsamen orangefarbenen Overalls ausstatten würde, aber es geschah nichts dergleichen.
Tatsächlich hatten sämtliche Vorgänge seit meinem Eintreffen etwas Merkwürdiges an sich gehabt.
Ich war unverkennbar Thema mehrerer geflüsterter Unterhaltungen gewesen, in denen unweigerlich die Wörter »der Chief« vorkamen.
Ich saß im Labor und wartete darauf, dass mir eine Blutprobe entnommen wurde, als die Doppeltür aufsprang und ein untersetzter weißhaariger Mann
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