Kiss and kill: Thriller (German Edition)
sich an mehrere Dinge geklammert, um bei Verstand zu bleiben und sich aufs Überleben zu konzentrieren. Zunächst einmal wollte sie um keinen Preis zulassen, dass der kranke Mistkerl sie umbrachte und ihren Skalp in seine Sammlung aufnahm. Natürlich fragte sie sich, wie ihre Mutter mit der Situation zurechtkäme. Wahrscheinlich stand sie sowieso unter Beruhigungsmitteln. Ihr neuer Mann würde dafür sorgen, dass sie der Wirklichkeit möglichst weit entrückt bliebe. Aber was war mit Charles David? Er war so sensibel. Falls sie starb, würde er zusammenbrechen, erst recht wenn sie ermordet wurde.
Und Griff?
Sie brauchte sich bloß vorzustellen, es wäre andersherum und er hier, in den Fängen eines Irren, dem er zu entkommen versuchte. Sie wusste, wie er sich fühlte, was er dachte, und war sicher, dass die letzten neunzehn Tage für ihn genauso qualvoll gewesen waren wie für sie.
Sie hatte ihre Regel nicht bekommen.
Wenn ich nun schwanger bin?
Wohl eher nicht. Wahrscheinlich war sie auch nicht schwanger gewesen, als sie gekidnappt wurde. Aber falls ja, wäre es überhaupt möglich, dass die winzigen, mikroskopisch kleinen Zellen, die sich teilten und vervielfachten, um zu einem Baby zu werden, in ihrem geschundenen, zerschlagenen, unterernährten Leib überlebten?
Sie hatte versucht, nicht an die Möglichkeit zu denken, dass sie Griffs Baby trug. Der Gedanke lenkte sie zu sehr ab. Sie konnte nicht über eine Schwangerschaft nachgrübeln, die es höchstwahrscheinlich gar nicht gab. Vor allem jetzt nicht, wo ihr Leben auf dem Spiel stand.
Steh auf und setz deinen Hintern in Bewegung! Verplemper keine Zeit mit Sorgen um Griff, deine Mutter oder Charles David … oder ein nicht-existentes Kind.
Stunden später, als die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte und langsam nach Westen zu sinken begann, hörte Nic das Röhren seines Motorrads. Weder konnte sie sich unbegrenzt verstecken noch in irgendeine Richtung laufen, in der er sie nicht binnen Minuten eingeholt hätte, also blieb ihr keine andere Wahl. Sie musste von der Defensive in die Offensive wechseln. Statt abzuwarten, bis er sie aufspürte, musste sie zuerst angreifen.
Nic wartete, bis sie am Motorengeräusch erkannte, dass er angehalten hatte. Er suchte die Gegend sicher mit seinem Fernglas ab. Weil er eine gute Weile gebraucht hatte, bis er darauf kam, dass sie dem alten Weg gefolgt war, musste er auf ein paar ihrer falschen Fährten hereingefallen sein. Andernfalls hätte er sie viel früher eingeholt. Sie schlich langsam an den Rand des Waldstücks, in dem sie sich versteckt hatte, glitt mit der Hand in die Tasche ihrer schmutzigen, zerrissenen Jogginghose und holte den kleinen dicken Stock hervor, den sie zu einer Waffe geformt hatte. Mit einem scharfkantigen Stein hatte sie das eine Ende angespitzt.
Ihre einzige Hoffnung war, ihn mit einem Überraschungsangriff zu überwältigen.
Es war sinnlos aufzuschieben, was getan werden muss.
Sie hatte eine Chance, sich anzuschleichen und ihn unvorbereitet zu erwischen, wobei der laufende Motor günstig für sie war, weil er ihre Schritte übertönte, wenn sie sich von hinten näherte. Ihren Körper als Rammbock benutzend, sprang sie auf ihn zu und stieß ihn vom Motorrad. Mit ihrem Gewicht hielt sie ihn am Boden und holte mit dem Stock aus, um ihn in seine Halsschlagader zu treiben. Als sie gerade zuschlagen wollte, bäumte er sich auf, so dass das spitze Stockende ihm den Nacken aufritzte. Er schrie vor Schmerz und warf sie von sich. Sie umklammerte den Stock ganz fest, während er sich auf sie rollte.
Das Gesicht zornesrot, holte er mit seiner fleischigen Faust aus. Doch im selben Moment drehte Nic den Stock, dass das scharfe Ende von ihr wegwies. Und gleichzeitig mit seinem Fausthieb bohrte sich Nics Behelfswaffe in seinen Bauch.
Er grunzte.
Sie drückte den Stock tiefer hinein.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie an, ungläubig und verwirrt.
Blut schoss aus seiner Wunde, und panisch packte er das Stockende, das aus seinem Bauch ragte. Nic schaffte es, ihn von sich herunterzurollen. Hastig rappelte sie sich auf. Ihre Beine zitterten.
Während er auf das Blut glotzte, das ihm aus dem Bauch floss, bückte sich Nic und griff nach dem Lederband, an dem sein Gewehr hing. Prompt umschlang er es mit seinen blutigen Händen. Nic versuchte, es ihm zu entwinden, erkannte jedoch schnell, dass sie zu schwach war. Also lief sie weg. Einmal blickte sie sich um und sah, dass er regungslos neben seinem
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