Kiss and kill: Thriller (German Edition)
Grunde waren wir die klassische amerikanische Bilderbuchfamilie. Dad hatte sein eigenes Geschäft, Mom war zu Hause bei den Kindern, einem Jungen und einem Mädchen. Ich bekam Ballett- und Steppunterricht, mein Bruder spielte in der Little League. Charles David und ich taten alles, was man uns sagte, bis wir Teenager waren.«
»Dann habt ihr rebelliert, wie die meisten Teenager.«
»Es war schon ein bisschen mehr als das«, gestand Nic. »Das Komische ist, wäre Charles David ein Mädchen und ich ein Junge gewesen, hätte es überhaupt keine Probleme gegeben. Mein Bruder war zart, sensibel und künstlerisch veranlagt, wie unsere Mutter. Ich war eher stürmisch, aufmüpfig und aggressiv, wie unser Vater.«
»Ich schätze, dein Vater wollte keinen sensiblen, künstlerischen Sohn.«
Nic lachte, doch es klang verbittert. »Ich weiß nicht, was er schlimmer fand, dass sein Sohn in seinen Augen ein Weichling war oder dass seine Tochter sich wie ein Junge gebärdete.«
»Wieso erzählst du mir das alles?«, fragte Griff.
»Ich vermute, weil es mir gerade durch den Kopf geht. Dr. Meng lässt mich wieder und wieder Dinge aus meiner Kindheit durchgehen. Sie ist überzeugt, dass die Wahl meines Ehemannes und meine Schuldgefühle im Bezug auf Gregs Tod mit meiner Beziehung zu meinen Eltern zu tun haben. Und sie glaubt, das gestörte Verhältnis zwischen meinen Eltern und meinem Mann hat irgendwie Auswirkungen darauf, wie ich mit dem jüngsten Trauma umgehe – beziehungsweise ihrer Meinung nach nicht umgehe.«
»Und du denkst, sie irrt sich?«
Nic zuckte mit den Schultern. »Sagen wir, ich möchte , dass sie sich irrt.«
»Dir ist bewusst, dass Yvette mir nichts aus den Sitzungen erzählt. Sie hat mir lediglich gesagt, dass sie dir nicht helfen kann, weil du sie nicht lässt. Und sie glaubt …«
»Mir ist egal, was sie glaubt!« Nic sprang aus dem Sessel auf. »Vergessen wir den ganzen Mist mal bis übermorgen. Es ist Weihnachten. Wir sollten essen, trinken, lachen, feiern und Geschenke auspacken.« Sie ging zum Baum und blickte auf den riesigen Stapel bunt eingepackter Geschenke. »Als Sanders Barbara Jean und mich letzte Woche zum Einkaufen nach Knoxville fuhr, haben wir sämtliche Läden leer gekauft. Und das ist deine Schuld, weil du mir deine Kreditkarte gegeben hast.«
Griff kam zu ihr, und sie sah ihn an. »Dein Geschenk habe ich allerdings mit meinem Geld bezahlt«, sagte sie.
»Nic?« Er blickte in ihre wunderschönen, honigbraunen Augen.
Obwohl sie sichtlich angespannt war, rang sie sich ein Lächeln ab und wich seinem Blick nicht aus. »Ja, Griff?«
»Yvette glaubt, dass ich dir helfen kann.«
Nic starrte ihn verwundert an.
»Ich möchte, dass du mir etwas erzählst«, sagte er, »darüber, wie du mich siehst.«
Sie lachte kurz auf. »Ist das dein Ernst?«
Er nickte.
»Tja, du siehst gut aus.«
»Das versteht sich von selbst«, sagte er grinsend. »Was noch?«
»Du bist reich und mächtig. Du bist stark und … und mutig. Du bist die Art Mann, die alle anderen Männer beneiden, weil sie genauso sein wollen.«
»Hmm … Erinnere ich dich an irgendjemanden?«
Nics aufgesetztes Lächeln schwand. Sie wandte sich ab.
»Erinnere ich dich an deinen Vater?«, fragte er.
Ihre Schultern hoben und senkten sich, als sie seufzte. »Ein bisschen.« Wieder seufzte sie. »Bevor ich dich besser kennenlernte, dachte ich, du wärst genauso wie mein Dad, und ich vermute, das war einer der Gründe, weshalb ich dich nicht ausstehen konnte.« Nun sah sie über die Schulter zu ihm. »Ich schätze, du weißt, dass ich meine Meinung über dich ein bisschen geändert habe. Besser gesagt, meine Gefühle für dich haben mich quasi eine Hundertachtzig-Grad-Wende vollziehen lassen.«
»Das gilt für mich ebenfalls«, sagte Griff. »Du weißt hoffentlich, dass wir beide uns schrecklich ähneln. Yvette meinte, ich wäre dein männliches Gegenstück und umgekehrt.«
Mit großen Augen drehte sie sich zu ihm. »Da hat Dr. Meng recht.«
»Wir sind zwei Hälften eines Ganzen.«
Nic schmunzelte. »Nun, so weit würde ich nicht gehen. Wer so etwas sagt, muss ein Romantiker sein, und wir wissen beide, dass wir das nicht sind.«
»Nein, wir sind Realisten. Wir sehen das Leben, wie es ist, und versuchen, uns damit bestmöglich zu arrangieren.«
Nics Lächeln wurde unsicherer. »Ich verstehe, worauf du hinauswillst.«
»Ja?«
»Ja, ich glaube schon. Du denkst, ich gebe nur vor, dass es mir gut geht, obwohl es in Wahrheit gar
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