Kiss and kill: Thriller (German Edition)
aufbrezeln.«
»Damit hätte ich auch niemals gerechnet.«
Gut. Sie wollte auf keinen Fall, dass er dachte, es interessierte sie, was er von ihr hielt. Und das Letzte, was sie jemals versuchen würde, wäre, ihn zu beeindrucken. »Wir essen in der Küche.« Sie zeigte mit dem Finger zur entsprechenden Tür. »Da drin. Sie können schon mal den Tisch decken, falls Sie sich die Viertelstunde sinnvoll vertreiben wollen. Im Kühlschrank steht geeister Tee und …«
»Wir trinken Wein zum Essen.«
»Ah. Okay.« Sie schwenkte den Arm Richtung Wohnzimmer, das direkt an die Diele anschloss. Die einzige Trennlinie war eigentlich die zwischen dem Holz- und dem Teppichboden. »Dann machen Sie es sich gemütlich.«
Nic drehte sich um und lief eilig den Flur hinunter in ihr Schlafzimmer. Drinnen schloss sie die Tür und lehnte sich dagegen.
Ich habe total versagt! Ich hätte mich weigern müssen, ihn reinzulassen. Ich hätte ihm sagen sollen, er soll verschwinden.
Auf dem Weg ins Bad zog sie sich aus, warf alle Sachen in den Wäschekorb und stellte den Duschkopf ein, bevor sie das Wasser aufdrehte. Wenn sie ihr Haar wusch, musste sie es auch trocknen. Aber sie hatte es seit Freitag nicht mehr gewaschen und …
Das ist kein Date! Hör auf, dir Gedanken zu machen, ob du dir die Haare waschen sollst oder nicht. Dusch einfach, zieh dir was Frisches an, und genieß das erste richtige Essen seit über zwei Wochen.
Griff blickte sich in Nics Wohnzimmer um. Ihm fiel auf, dass alles sauber, wenn auch unordentlich war. Aktenordner waren auf dem Sofa, dem Couchtisch und dem Fußboden verteilt. Auf einem Untersetzer stand ein leeres Glas und auf einem gefalteten Blatt Küchenpapier der leere Eisbecher. Das Mobiliar war eine Mischung aus alten und neuen Stücken. Der einzige gemeinsame Nenner im Raum war die Farbe: neutrale Erdtöne. Nur ein Ölgemälde über dem Sofa belebte alles ein bisschen. Griff trat an das Bild heran, um es sich genauer anzusehen.
Ah, wie er vermutet hatte! Es war ein Original. Die Signatur des Künstlers in der Ecke bestand aus verschlungenen Buchstaben, aber die Handschrift war so frei und fließend wie das Bild selbst. C. D. Bellamy. Hmm … Nics jüngerer Bruder.
Vor über einem Jahr hatte Griff Sanders gebeten, Nicole Baxter zu überprüfen und alles über ihr Privatleben in Erfahrung zu bringen, was er konnte. Zufällig hatte er herausgefunden, dass sie verheiratet gewesen war, was er nicht gewusst hatte. Daraufhin war er neugierig geworden. Sanders hatte ein paar wesentliche Fakten zusammengetragen: 1. Nics Vater war tot, ihre Mutter noch am Leben und wieder verheiratet; 2. Sie hatte einen jüngeren Bruder, der als Künstler in Kalifornien lebte; und 3. Nic war drei Jahre mit DEA-Agent Gregory Baxter zusammen gewesen. Vor sieben Jahren hatte ihr in der Drogenermittlung tätiger Ehemann sich eine 9mm in den Mund gesteckt und abgedrückt.
Wenn es eines gab, was Griff über die menschliche Natur wusste, dann, dass wir alle dazu neigten, uns für das Versagen oder die Fehler unserer Liebsten verantwortlich zu fühlen. Zweifellos gab Nic sich die Schuld am Selbstmord ihres Mannes, egal ob sie dazu Grund hatte oder nicht. Griff selbst hatte rein gar nichts tun können, um den Tod seiner Mutter zu verhindern, und dennoch fühlte er sich schuldig. Wenn alles anders gewesen wäre … Wenn er klüger gewesen wäre, weniger überheblich, weniger vertrauensselig … Wenn er Jahre früher in die Staaten zurückgekommen wäre …
Griff sah sich die breiten, lebendigen Striche des Künstlers an, die eine gewisse Kühnheit vermittelten. Das lag wohl in der Familie. Es war unübersehbar, dass Charles David Bellamy seine Stärke, Dickköpfigkeit und Hartnäckigkeit in seiner Malerei ausdrückte, während Nic es in ihrer Arbeit beim FBI tat.
War sie immer schon so voll und ganz auf ihren Beruf konzentriert gewesen, dass alles andere ausfiel? Offensichtlich hatte es eine Zeit gegeben, in der sie mehr wollte, mehr brauchte, als rund um die Uhr zu arbeiten. Hatte ihr der Selbstmord ihres Mannes alle Hoffnungen und Träume geraubt? Oder stellte Griff automatisch die falschen Mutmaßungen an, weil sie eine Frau war? Nein, das war es nicht. Die meisten Menschen, ob männlich oder weiblich, erwarteten mehr vom Leben als Erfolg in ihren auserwählten Berufen. Sie wünschten sich eine Familie.
Für Griff war Sanders wie ein Bruder und ihre gemeinsame gute Freundin Yvette Meng wie eine Schwester. Aber im Grunde war Griff an
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