Kiss and kill: Thriller (German Edition)
wurde. Danach ließ er sie jeden Tag ein bisschen länger draußen, bis sie in der letzten Woche ganz allein im Wald blieb, um für sich selbst zu sorgen. Dann war sie gezwungen, sich selbst Wasser, Essen und Unterschlupf zu suchen. Und sie würde ständig auf der Hut sein müssen, denn sie wusste ja nicht, wann er sie fand.
Nic lief in Beckys Büro auf und ab. Sie war viel zu nervös, um ruhig zu sitzen. Gerade waren sie die Autopsieberichte der ersten vier Opfer durchgegangen. Der von Amber Kirby war noch nicht da.
Alle Fakten waren so weit klar und ließen keinerlei Zweifel, dass alle Frauen vom selben Mann umgebracht wurden. Die Kopfschüsse stammten aus demselben Kaliber. Die Eintrittswunde war jeweils der Hinterkopf und die Austrittswunde vorn, so dass die Gesichter vollkommen entstellt waren. Jede der Frauen war mit demselben Messer oder mit gleichen Messern skalpiert worden.
Betty tippte auf die Papiere in der Mitte ihres Schreibtisches. »Die Autopsien besagen, dass auf jede der Frauen mehrmals geschossen wurde – in die Arme, die Knie, die Knöchel, als hätte er sie langsam getötet, Treffer für Treffer.«
»Er will sie leiden lassen«, sagte Griff.
Nic rieb sich den Nacken beim Gehen und wünschte, sie könnte die Bilder aus ihrem Kopf löschen. Aber vor ihrem geistigen Auge sah sie die Opfer, deren geschundene Körper eine Kugel nach der anderen einsteckten, bis die letzte alles beendete.
Betty fragte: »Was halten Sie beide von den ganzen Blutergüssen, Kratzern und Schnittwunden auf den Leichen, vor allem von den Füßen, die so übel zugerichtet waren? Es sieht aus, als wären sie über längere Strecken barfuß gelaufen.«
Nic blieb stehen und sah Griff an, bevor sie antwortete: »Ich glaube, er jagt sie. Er will ›der Jäger‹ genannt werden, womit er uns einen klaren Hinweis gibt. Er jagt die Frauen, womöglich über die gesamten drei Wochen, die sie vermisst werden. Und am Ende tötet er sie.«
»Wenn sie drei Wochen lang frei herumlaufen dürfen, wieso hat es keine Einzige geschafft, ihm zu entkommen?«, fragte Betty. »Und wo kann er sie hinbringen, wo sie so weit von anderen Menschen entfernt sind?«
»Entweder besitzt er größere Ländereien, oder er mietet sie«, sagte Griff. »Irgendwo muss er über ein Anwesen verfügen, das privat ist, umzäunt und wahrscheinlich in einem Landstrich, der weitab von anderen bewohnten Gebieten ist und der Öffentlichkeit nicht zugänglich.«
»Vielleicht gibt es nur einen Zugang zu dem Gebiet, ohne einen Fluss oder einen Berg zu überqueren, oder es ist einfach nur sehr weitläufig.« Nic blieb am Schreibtisch stehen, lehnte sich dagegen und überkreuzte die Knöchel. »Er könnte Hunderte von Hektar zur Verfügung haben.«
»Da das alles für ihn nur ein Spiel ist, wird es ihm ein Leichtes sein, sich selbst als Großwildjäger zu sehen.« Griffs Stimme klang wie ein tiefes Grollen. »Er jagt diese Frauen, als wären sie Wild. Er ist der Jäger, sie sind seine Beute.«
Nic fühlte, dass eine seltsame Spannung von Griff ausging, war sich allerdings nicht sicher, was bei ihm nicht stimmte. Wie war es überhaupt möglich, dass sie so etwas wahrnahm? Es war eine vage Veränderung seiner Stimmlage, ein abwesender Blick, eine Anspannung seines Körpers. Vor allem aber spürte sie eine unterschwellige Wut, die er kaum zu kontrollieren vermochte.
Sie sah Betty an, die anscheinend nichts von alledem bemerkte.
»An Hinweisen auf die Umgebung gab es so gut wie nichts an den Opfern«, sagte Betty. »Alle Pathologen sind sich einig, dass er die Opfer abwäscht und ihnen die Nägel reinigt, bevor er sie in die Gegend zurückbringt, in der er sie entführt hat. Dennoch konnten winzige Partikel unter den Finger- und Zehennägeln jedes Opfers gefunden werden.«
»Ich will, dass die Proben an unser Labor geschickt werden«, sagte Nic. »Mit ein bisschen Glück kann man unterm Mikroskop sehen, in welcher Gegend sie von ihm gejagt wurden. Dann wüssten wir zumindest, ob es eine Wüste, ein Wald oder ein Sumpf war.«
»Alle Frauen waren dehydriert und unterernährt«, sagte Griff. »Er enthält ihnen Wasser und Nahrung vor. Vielleicht nicht zu Anfang, aber während der meisten Zeit. Er könnte das als Mittel nutzen, um sie zu kontrollieren. Wenn sie brav sind, wenn sie mitspielen, belohnt er sie. Wenn nicht …«
Da war es wieder, dachte Nic. Wieder hatte sie dieses komische Gefühl in Bezug auf Griff.
»Er liebt es, Gott zu spielen«, sagte der. »Die
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