Kissed by Darkness
murmelte ich vor mich hin, fuhr dann wieder los und machte mich auf den Heimweg.
Als ich die Haustür hinter mir verschloss, fühlte ich, wie die Spannung von mir abfiel. Am schönsten ist es zu Hause, das hatte schon Dorothy aus » Der Zauberer von OZ« gewusst. Manchmal wünschte ich, mein Zuhause wäre immer noch in London, aber hier ist es auch nicht schlecht. Außerdem bin ich in Portland geboren und habe den größten Teil meines Lebens hier verbracht. Diese Stadt geht einem in Fleisch und Blut über.
Ich lehnte mich gegen die Wand, zog die Boots aus und ließ sie mitten im Gang liegen. Dann folgten die Socken und schließlich seufzte ich erleichtert auf. Ich war zwar ein Stiefelmädchen, aber es ging doch nichts übers Barfußlaufen.
Auf leisen Sohlen bewegte ich mich den Korridor entlang in Richtung Küche, wobei ich mir nicht die Mühe machte, das Licht anzuschalten. Wie schon gesagt, fühle ich mich in der Dunkelheit ganz wohl. Rasch schob ich diesen Gedanken beiseite. Die Dunkelheit benahm sich in letzter Zeit für meinen Geschmack etwas zu freundlich.
Ich trat ans Waschbecken und goss mir ein Glas eiskaltes Wasser ein. Durch das Fenster fielen die letzten Strahlen des Mondlichts und erfüllten die Küche mit tanzenden Schatten. Erst nachdem ich das Glas schon halb ausgetrunken hatte, bemerkte ich es endlich: Ich war nicht allein. Lautlos fischte ich das Stilett aus meinem Ausschnitt, wobei ich sorgsam darauf achtete, meine Hand vor der Gestalt hinter mir verborgen zu halten. Geistig schimpfte ich mit mir selbst. Ich musste erschöpfter sein, als ich gedacht hatte. Wie hatte ich nur so blöd sein können?
Mit dem Stilett in der Hand wirbelte ich herum – und sah mich einem sehr vertrauten Menschen gegenüber, der an meinem Küchentisch aus den Fünfzigerjahren lümmelte. »Verdammt, Inigo«, sprudelte ich hervor. »Ich hätte fast einen Herzanfall bekommen.«
In der Dunkelheit konnte ich sein Gesicht zwar nicht erkennen, aber seine Belustigung spürte ich dennoch. »Dann war deine Jagd also erfolgreich?«
Ich schnaubte. »Natürlich war sie das.« Dann zögerte ich, da ich meine gegenwärtige Situation eigentlich auch mit Inigo nicht besprechen wollte.
Er sagte nichts und wartete einfach ab.
Stöhnend ließ ich mich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. Er würde ja doch nicht lockerlassen, also konnte ich genauso gut gleich alles erzählen. Und außerdem brauchte ich jemanden zum Reden. »Ich weiß auch nicht. Irgendetwas Merkwürdiges passiert mit mir. Ich meine, etwas noch Merkwürdigeres als üblich.«
»Merkwürdig? Inwiefern?«
Ich zuckte mit den Schultern. Ich mochte Inigo. Und was noch wichtiger war, ich vertraute ihm. Und das will bei mir schon was heißen. Männern vertraue ich normalerweise nicht so schnell. Ich arbeite schon sehr lang mit ihm zusammen und er hat sich mehr als einmal als echter Freund erwiesen. Und außerdem ist er der Cousin meiner besten Freundin. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich ihm wirklich erzählen wollte, dass ich anscheinend den Draht zur Realität verlor. Ich wusste nicht einmal, ob ich mir das selbst eingestehen wollte, denn wenn ich nicht verrückt wurde, dann war hier noch etwas weit Gruseligeres im Spiel.
Langsam erhob er sich, entfaltete seinen langen, schlanken Körper und kam um den Tisch herum auf mich zu. Ich sah ihm entgegen und versuchte verzweifelt, mir nichts anmerken zu lassen, obwohl mein Herz so sehr hämmerte, dass ich schon Angst hatte, es könnte mir die Rippen brechen.
Obwohl ich sein Gesicht noch immer nicht gut erkennen konnte, war ich sicher, ein wissendes Grinsen darauf zu erkennen. Mistkerl.
Er trat hinter mich und ich verspannte mich, bevor ich begriff, was er vorhatte. Dann fühlte ich seine Hände auf den Schultern und sie sandten einen Stromstoß bis hinab in meine südlichen Körperregionen. Lieber Gott. Ich steckte echt in Schwierigkeiten. »Ähm, Inigo …«
»Schhh. Du musst dich entspannen. Du bist ja völlig verkrampft.« Behutsam massierte er die Muskeln meiner Schultern. Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht einmal bemerkt, wie steinhart sie waren.
Ich muss wohl aufgestöhnt haben, auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, weil mein Sichtfeld an den Rändern zu verschwimmen schien. Und dann war da wieder dieses merkwürdige Kribbeln, dieser Sog der Dunkelheit. Sie sammelte sich um mich, wirbelte umher, zupfte an mir und rauschte durch mich hindurch. Funken glommen auf, wie winzige Sterne, die wild vor
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