Kissed by Darkness
sofort wieder zu pochen begann. Mein Magen rumorte protestierend. Ich stöhnte, doch es klang eher nach einem Wimmern.
»Wie der Tod auf Latschen. Nur ohne die Latschen.«
»Nettes Bild.« Diesmal sprach er leiser und lachte. Ich fühlte, wie etwas Feuchtes und Kühles auf meine Stirn gedrückt wurde, und riskierte es, ein Auge zu öffnen. Sofort bereute ich es, denn durch den Spalt zwischen den Gardinen fiel helles Tageslicht und sofort hämmerte es in meinem Schädel wieder los. Als das Wummern allmählich wieder nachließ, fiel mir etwas auf.
»Warum trägst du meinen Bademantel?«
»Weil meine Kleider in der Waschmaschine sind. Waren ziemlich … versaut. Deine habe ich gleich dazugetan. Wollte schließlich kein Wasser verschwenden. Immer schön umweltbewusst.«
Meine überempfindliche Haut sagte mir, dass ich ein T-Shirt und sonst nicht viel trug. Ich wollte lieber nicht wissen, wie ich aus meinen Klamotten und in dieses T-Shirt gekommen war. Ich riskierte einen weiteren Blick auf Inigo. »Aber warum ausgerechnet den?«
Er sah an sich herab und befühlte den Seidenstoff meines Nur-für-den-Fall-Bademantels.
»Das ist der einzige ansehnliche, den du hast. Auf keinen Fall möchte ich in diesem anderen Ding gesehen werden.«
Damit meinte er wohl meinen Frotteebademantel. Inigo weigerte sich standhaft, jemals auch nur etwas annähernd Bequemes zu tragen. »Der ist von Victoria’s Secret.« Es sollte überheblich klingen, kam aber eher gequält heraus.
»Klar. Aus der Großmutterkollektion.«
Ich rollte mit den Augen. Keine gute Idee. Offenbar sah man mir meine Qualen an, denn sofort drückte mir Inigo ein Glas Wasser und mehrere Tabletten in die Hand und betrachtete mich mitleidig. Ich schluckte brav alles herunter und ließ den Kopf dann vorsichtig wieder in die Kissen sinken. »Warum enden wir eigentlich jedes Mal, wenn du vorbeikommst, in meinem Schlafzimmer?«
Er bedachte mich mit einem wölfischen Grinsen. Am liebsten hätte ich wieder mit den Augen gerollt, ließ es dann aber doch.
»Was ist passiert?«, fragte ich stattdessen.
Inigo zuckte mit den Schultern, strich sich die Haare zurück und rückte die Brille zurecht. »Ich weiß es nicht. Erst kämpfst du noch wie besessen und dann … fällst du einfach um. Gleich nachdem du den letzten Vampir erledigt hast.«
Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Dieser geschniegelte, bebrillte Computerfreak an meinem Bett hatte nichts mehr mit dem wilden Krieger von heute Nacht oder dem heißen Verführer von vor ein paar Tagen zu tun. Meine Erinnerungen an jene Nacht waren zugegebenermaßen etwas undeutlich, aber so undeutlich nun auch wieder nicht.
»Nicht den letzten Vampir. Kaldan habe ich nicht erwischt.« So viel wusste ich. Die Dunkelheit wusste es. Und sie wollte ihn haben.
»Den holen wir uns später. Jetzt musst du dich erst mal ausruhen. Du hast dir bei dem Sturz ziemlich übel den Kopf angeschlagen.«
Ich versuchte, mich an Details zu erinnern. Aber abgesehen von dem Kampf und den Flammen wusste ich nichts mehr. »Da war ein Feuer …«
Er runzelte die Stirn. »Ich glaube, dich hat es sogar noch härter erwischt, als ich dachte. Ruh dich aus, okay? Ich bin in der Küche. Nur für alle Fälle.« Dann beugte er sich über mich und drückte die Lippen auf meinen Mund. Sie waren weich und warm und etwas trocken und schmeckten nach Herbstblättern, Holzfeuer und gerösteten Marshmallows.
Es war ein unschuldiger, fast brüderlicher Kuss. Doch ich spürte, dass er mich ganz und gar nicht als Schwester betrachtete. Dann löste er sich von mir und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Auf seinem Gesicht lag ein so zärtlicher Ausdruck, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Mein Herz machte einen Satz.
Er stand auf, zog mir die Decke bis unters Kinn und flüsterte: »Schlaf, Morgan.«
Noch lang nachdem er gegangen war, starrte ich stirnrunzelnd in die Dunkelheit. Ich hatte mir das Feuer nicht eingebildet, genauso wenig wie seine goldenen Augen. Und außerdem hatten sich seine Lippen auf meinen zu warm angefühlt, zu warm für einen Menschen. Ich war mir nicht sicher, was mich mehr beunruhigte: die merkwürdigen Dinge, die ich bei Inigo wahrnahm, oder die merkwürdigen Dinge, die mit mir selbst geschahen.
Trotz des hämmernden Schmerzes in meinem Kopf torkelte ich zu meinem Schrank hinüber, wo Inigo meine Handtasche abgestellt hatte. Ich kramte darin herum, bis ich gefunden hatte, wonach ich suchte. Dann schnappte ich mir mein Handy, zog mir die
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